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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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Worte zu bestätigen schienen. Es war ganz natürlich, dass er sich sorgte, was in seiner Abwesenheit auf der Station geschah, auch wenn er in seinem Innersten wusste, dass dieses Zentrum zu den besten der Welt zählte und die Befürchtungen sehr wahrscheinlich eingebildet waren.
    »Hier«, sagte sie und händigte meinem Papa ein zerknittertes Papier aus, auf das unleserliche Nummern gekritzelt waren. »Rufen Sie mich an, dann erkläre ich es Ihnen.«
    Höflich steckte mein Vater den Zettel ein, jedoch war ihm klar, dass er sie niemals anrufen würde. Er stieß die Türe zu meinem neuen Zimmer auf, wobei er versehentlich gegen die Wachperson stieß, deren Stuhl gegen die Tür geschoben war.
    Das neue Zimmer war überraschend friedvoll mit einer Fensterreihe auf den East River und den Franklin D. Roosevelt East River Drive. Lastkähne glitten geräuschlos auf ihrem Weg flussabwärts vorbei. Mein Vater war über den Wechsel erfreut, denn er war zunehmend davon überzeugt gewesen, dass das Zimmer zur hochintensiven Überwachung mit den Monitoren, der Schwesternstation und der ständigen Aktivität der drei anderen Patienten meine Unruhe gesteigert hatte.
    Als ich schließlich aufwachte, sah ich ihn und lächelte. Es war das erste Mal, dass ich ihn seit der unaussprechlichen Nacht in seinem Haus, an dem Abend vor meiner stationären Aufnahme, freundlich begrüßte. Durch meine neue Haltung ermutigt, schlug er einen Spaziergang durch die Korridore vor, damit ich etwas Bewegung hätte.
    Ich stimmte dem Spaziergang sogleich zu, aber die Durchführung war nicht einfach. Ich bewegte mich wie ein alter Mensch, ich schob mich an die Bettkante, bevor ich die Füße baumeln ließ. Mein Vater streifte mir ein frisches Paar rutschfeste moosfarbene Socken über die Füße und half mir aus dem Bett. Er bemerkte, dass ich keine Elektroden am Kopf hatte – wie sich herausstellte, lag das daran, dass ich sie mir bei einem weiteren nächtlichen Fluchtversuch abgerissen hatte und das Personal sie noch nicht wieder hatte anlegen können.
    Selbst das Laufen war für mich keine einfache Aufgabe mehr. Mein Vater war immer ein schneller Geher gewesen (als James und ich klein waren, ist er häufig schnellen Schrittes auf belebten Straßen in der Stadt vor uns hergegangen), nun jedoch achtete er sorgsam darauf, an meiner Seite zu bleiben und mich zu führen, denn meine Beine bewegten sich unbeholfen vorwärts, als würde ich gerade erst wieder das Laufen lernen. Als er meine langsamen Bewegungen sah, gelang es ihm nicht, die fröhliche Fassade aufrechtzuerhalten. Als wir wieder in meinem Zimmer angekommen waren, verkündete er ein Motto, damit ich den Silberstreif am Horizont nicht vergessen würde.
    »Wie ist die Tendenz?«, fragte er.
    Ich schaute ihn schweigend an.
    »Sie ist steigend«, sagte er mit gezwungenem Optimismus, wobei er seinen Arm in einem Winkel nach oben hob. »Und was bedeutet steigend?«
    Ein weiterer verständnisloser Blick.
    »Es bedeutet, dass wir jeden Tag einen Fortschritt machen.«
    Mein körperlicher Zustand verschlechterte sich, aber zumindest war meine Psychose zurückgegangen, sodass der Weg für die Ärzte frei war, endlich weitere Tests durchzuführen. Woran auch immer ich litt, diese Krankheit schien von einer Minute auf die andere, von einer Stunde auf die andere auf- und abzuebben. Dennoch folgte das Krankenhauspersonal diesem scheinbaren Fortschritt und nahm eine Lumbalpunktion vor, die ihnen Zugang zu dem klaren, an Salzwasser erinnernden Nervenwasser verschaffen sollte, das das Gehirn und das Rückenmark umgibt. Die Durchführung dieser Untersuchung war zuvor zu gefährlich gewesen, weil eine Lumbalpunktion die volle Mitarbeit des Patienten verlangt, der gänzlich ruhig bleiben muss. Plötzliche Bewegungen bergen schreckliche Risiken wie Lähmung und sogar Tod.
    Obwohl meinem Vater klar war, dass die Lumbalpunktion der notwendige nächste Schritt war, erschreckte der Gedanke an die Prozedur ihn und meine Mutter noch immer. Als James ein Kleinkind war, hatte er an einem gefährlich hohen Fieber gelitten, sodass eine Lumbalpunktion nötig gewesen war, um eine Hirnhautentzündung ausschließen zu können, und meine Eltern hatten die schrillen, schmerzerfüllten Schreie des Babys nie vergessen.
    Der nächste Tag, der 27. März, war mein fünfter Tag im Krankenhaus, aber erst das zweite Mal, dass ich meinen Vater in mein Zimmer ließ. Die meiste Zeit starrte ich in die Luft, ohne sichtbare Emotionen, meine

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