Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
sie an die Post weitergeben. Sag denen, es ist ein Exklusivbericht von jemandem aus dem Krankenhaus.« Sie lacht wieder.
»Dieses Mädchen ist verrückt, glaub mir. Glaub mir, das ist eine gute Story, versprochen. Mit dem Knüller können wir eine Menge Kohle machen. Ca-ha-ha. Ruf alle Lokalsender an. Ich werde denen alles erzählen. Sorge nur dafür, dass wir da Geld rausschlagen können. Ca-ha-ha.«
PSSSTTTT
Was zum Teufel war das?
PSSSSTTTT
Ich höre es wieder.
PSSSTTTT da drüben.
Ich wende den Kopf nach links. Die Südamerikanerin hat aufgehört, wie verrückt SMS zu tippen, und den Vorhang angehoben, sodass ich ihr Gesicht sehen kann.
»Die Schwestern hier sind übel«, sagt sie sanft.
»Was?«, frage ich, nicht sicher, ob ich richtig gehört habe oder ob sie überhaupt etwas gesagt hat.
»Shhhh, sie können uns hören«, zischt sie und deutet auf die Kameras. »Die Schwestern hier sind nicht in Ordnung, ich vertraue ihnen nicht.«
Ja, ja, seltsame Spanierin, das stimmt. Aber warum sagt mir diese Undercover-Agentin das? Sie lässt den Vorhang wieder fallen und lässt mich alleine.
Ich muss gehen. Jetzt. Wieder greife ich nach den Kabeln auf meinem Kopf, eine Handvoll nach der nächsten ziehe ich sie zusammen mit Haarbüscheln ab und werfe sie auf den Boden. Im nächsten Moment bin ich an der Tür. Ich bin durch die Tür. Mein Herz klopft rasend schnell. Ich spüre es bis in die Lungen. Der Wachposten bemerkt mich nicht. Ich sprinte zum roten AUSGANG-Schild. Eine Schwester kommt angelaufen. Denke, denke, denke, Susannah. Ich weiche in einen Korridor aus und renne, rase, rase, rase – direkt in die Arme einer anderen Schwester.
»Lasst mich heimgehen! Lasst mich gehen!«
Sie fasst mich an den Schultern. Ich trete schreiend nach ihr. Ich beiße in die Luft. Ich muss raus. Ich muss gehen. LASST MICH GEHEN. Der kalte Boden. Eine lila Dame hält meine Füße fest, während die andere Schwester meine Arme nach unten drückt. »Bitte, bitte«, versuche ich durch die zusammengepressten Zähne zu sagen. »Bitte lasst mich gehen.«
Dunkelheit.
Zwischenbericht:
Gestern Abend wurde die Patientin sehr aufgeregt. Sie riss sich die Elektroden ab und rannte in den Fluren hin und her. Dies geschah, obwohl sie Seroquel erhalten hatte. Man verabreichte ihr Ativan gegen die Unruhe, und der Bereitschaftsarzt legte ihr zur Sicherheit vorübergehend eine Brustfixierung an. Gestern am frühen Abend verabreichte man ihr zudem 25 Milligramm Lopressor wegen erhöhtem Blutdruck und Tachykardie [Herzrasen]. Überprüfung der Vitalwerte 4-stündlich angeordnet.
Kapitel 19
Big Man
Z wei Fluchtversuche hatten mir einen persönlichen Wachposten eingebracht; jetzt, nach dem dritten Versuch in drei Tagen, wies eine Schwester meinen Vater beiläufig darauf hin, wenn ich weiterhin die Kabel abreißen und zu fliehen versuchen würde, könnte ich hier nicht bleiben. »Wenn sie damit nicht aufhört, wird sie in eine Abteilung verlegt, die nicht dasselbe Pflegeniveau bietet. Und diesen Ort wird sie nicht mögen, das kann ich Ihnen versprechen«, sagte sie zu ihm. Mein Vater hörte die Drohung klar und deutlich: Wenn ich so weitermachte, würde man mich in eine psychiatrische Abteilung verlegen. Er beschloss, dass er, egal was geschehen würde, an meiner Seite bleiben würde. Er und ich hatten seit der Scheidung nicht viel Zeit zusammen verbracht, und das machte er nun wieder gut. Da er vor Kurzem aus seinem Job bei einer Bank ausgeschieden war, war er so ungebunden und flexibel, dass er seine Zeit mit mir verbringen konnte. Und er wollte, dass das Personal wusste, dass jemand aufpasste, was mit mir geschah. Er wusste, dass die Leute ihn häufig als einschüchternd empfanden – trotz seiner durchschnittlichen Größe und Erscheinung hatte meine Babysitterin Sybil ihn immer »Big Man« genannt – und er war entschlossen, daraus Kapital zu schlagen, wenn es mir half. Da ich ihn weiterhin nicht ins Zimmer lassen wollte, weil ich noch immer davon überzeugt war, er habe Giselle umgebracht, hielt er draußen im Flur Wache und las ein Buch.
In der Zwischenzeit hatte Frau Dr. Russo in ihrem täglichen Verlaufsbericht die Hauptdiagnose von »Krampfanfälle« in »Psychose und mögliche Krampfanfälle« geändert und dann schließlich nur noch in »Psychose«. Postiktale Psychose war inzwischen nicht mehr die primäre Diagnose, da ich seit meiner stationären Aufnahme keinen Anfall mehr gehabt hatte. Bei Patienten mit PIP ist es
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