Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
meinen Arm aus. Das hatte ich so oft gemacht, dass es inzwischen Routine war. Edward zog seine Handschuhe an, band einen Stauschlauch um meinen rechten Unterarm, bereitete die Vene vor, indem er mit seinen Fingern darauf klopfte, und beugte sich vor, um die Nadel einzustechen. Aber als die Nadel meine Haut durchstach, sprang ich heftig auf und schlug ihm die Nadel mit einer raschen Bewegung aus der Hand, sodass das Blut aus meiner Vene spritzte. Ich lächelte, schaute in gespielter Verlegenheit nach unten, als wollte ich sarkastisch sagen: »Ups, was habe ich denn da angestellt?« Für Stephen war es offensichtlich, dass ich eigentlich meinte: »Verpiss dich.« Manchmal, wenn es mir besser zu gehen schien, kam die ursprüngliche Psychose wieder zum Vorschein. Das erschreckte jeden.
»Susannah, bitte tu so etwas nicht. Dabei kannst du dich ernsthaft verletzen und mir vielleicht wehtun. Aber dir wird es sicher mehr wehtun«, sagte Edward, der seine Stimme unter Kontrolle behielt. Er bereitete die Nadel erneut vor und hob sie über meinen ausgestreckten Arm.
»Okay«, sagte ich sanft. Er stach die Nadel ein, entnahm einige Röhrchen Blut und ging aus dem Zimmer.
Kapitel 26
Die Uhr
»W aher«, stöhnte ich und deutete auf eine rosa Kanne auf dem Tisch neben meinem Bett. Es war der Tag, an dem wir endlich erwarteten, Dr. Najjar zu sehen. Ich sabberte und schmatzte mit den Lippen, eine Gewohnheit, die ich nun ständig beibehielt, sogar im Schlaf. Mein Daddy legte seine Spielkarten beiseite, nahm den Krug und ging hinaus auf den Gang, um ihn zu füllen. Als er wiederkam, starrte ich vor mich hin. Ich schien mit offenen Augen zu schlafen, meine Zunge hing mir aus dem Mund. Inzwischen war er an diese Szenen so gewöhnt, dass er gut damit umgehen konnte. Anstatt mich zu wecken, las er schweigend weiter in Ein Porträt des Künstlers als junger Mann, bis meine Mutter kam.
»Hallo«, sagte meine Mutter fröhlich, als sie das Zimmer betrat. Sie legte ihre Ledertasche auf dem Stuhl neben meinem Bett ab und küsste mich. »Ich bin so aufgeregt, heute endlich diesen geheimnisvollen Dr. Najjar kennenzulernen. Was meinst du, wie er sein wird?«, fuhr sie heiter fort, ihre mandelförmigen Augen strahlten vor Begeisterung. »Er sollte jeden Moment hier sein.«
Meinem Vater jedoch fiel es an diesem Vormittag schwer, begeistert zu sein. »Ich weiß nicht, Rhona«, sagte er. »Bisher wissen wir gar nichts.« Sie zuckte mit den Achseln und griff nach einem Tuch, um mir den Sabber auf der einen Gesichtsseite wegzuwischen.
»Hallo, hallo!« Wenige Minuten später betrat Dr. Najjar mein Einzelzimmer Nummer 1276, seine Stimme dröhnte. Sein Gang war bedächtig, er hatte einen leicht gebeugten Rücken, sodass sein Kopf wenige Zentimeter vorstand, höchstwahrscheinlich aufgrund der vielen Stunden, die er über ein Mikroskop gebeugt zubrachte. Sein dichter Bart war an den Enden verzwirbelt, weil er es sich angewöhnt hatte, sie zu drehen und zu ziehen, wenn er tief in Gedanken versunken war.
Er streckte meiner Mutter die Hand entgegen, die diese in ihrem Eifer etwas länger festhielt als üblich. Anschließend stellte er sich meinem Vater vor, der vom Stuhl neben meinem Bett aufstand, um ihn zu begrüßen.
»Ich würde gerne zuerst mit Ihnen ihre medizinische Vorgeschichte durchgehen, bevor ich anfange«, sagte er. Sein syrischer Akzent setzte rhythmische Betonungen, hielt harte Konsonanten länger und betonte diese, wobei die »t«s häufig zu »d«s wurden. Wenn er aufgeregt war, ließ er Präpositionen weg und kombinierte manche Wörter so, als hielte sein Sprechen nicht mit seinen Gedanken Schritt. Dr. Najjar betonte stets, wie wichtig es sei, eine vollständige Anamnese von einem Patienten zu haben. (»Man muss zurückschauen, um die Zukunft zu sehen«, sagte er häufig zu seinen Ärzten.) Während meine Eltern sprachen, machte er sich Notizen über die Symptome – Kopfschmerzen, Wanzenhysterie, grippeähnliche Symptome, Taubheit und die erhöhte Herzfrequenz –, die von den anderen Ärzten nicht untersucht worden waren, zumindest nicht in einem Gesamtbild betrachtet worden waren. Er notierte alles rasch als Schlüsselbefunde. Und dann tat er etwas, was keiner der anderen Ärzte getan hatte: Dr. Najjar wandte seine Aufmerksamkeit mir zu und sprach direkt mit mir, als sei ich eine Freundin und keine Patientin.
Eines der bemerkenswerten Dinge an Herrn Dr. Najjar war sein sehr persönlicher, von Herzen kommender Umgang mit seinen
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