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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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Patienten. Er empfand eine intensive Sympathie für Schwache und Machtlose, was, wie er mir später erzählte, durch seine eigene Erfahrung als kleiner Junge bedingt war, der in Damaskus, Syrien, aufgewachsen war. Er hatte wenig für die Schule getan und seine Eltern und Lehrer hatten ihn für faul gehalten. Als er zehn Jahre alt war und in seiner katholischen Privatschule in einer Klassenarbeit nach der anderen mangelhafte Noten hatte, hatte der Direktor seinen Eltern gesagt, ihm sei nicht zu helfen: »Bildung ist nichts für jeden. Vielleicht wäre es besser, er würde ein Handwerk erlernen.« Wütend, wie er war, wollte sein Vater nicht, dass er von der Schule ging – Bildung war seiner Meinung nach bei Weitem zu wichtig –, und obwohl er sich keine großen Hoffnungen machte, schickte er seinen Sohn stattdessen auf eine öffentliche Schule.
    Während seines ersten Jahres in der staatlichen Schule interessierte sich ein Lehrer besonders für den Jungen und ließ es sich häufig angelegen sein, ihn für seine Arbeit zu loben und langsam sein Vertrauen zu gewinnen. Am Ende des Schuljahrs kam er mit einem glänzenden Einser-Zeugnis nach Hause. Sein Vater war rasend vor Zorn.
    »Du hast gemogelt«, sagte Salim und hob die Hand, um seinen Sohn zu bestrafen. Am nächsten Morgen gingen die Eltern zu dem Lehrer. »Mein Sohn bekommt kein solches Zeugnis. Er muss gemogelt haben.«
    »Nein, er mogelt nicht. Das kann ich Ihnen versichern.«
    »Was für eine Art Schule führen Sie denn hier, wenn ein Junge wie Souhel ein solches Zeugnis bekommen kann?«
    Der Lehrer machte eine Pause, bevor er antwortete. »Haben Sie je darüber nachgedacht, dass Sie einen klugen Sohn haben könnten? Ich denke, Sie müssen einfach an ihn glauben.«
    Dr. Najjar schloss sein Medizinstudium schließlich als einer der Besten ab und immigrierte in die USA, wo er nicht nur ein geschätzter Neurologe wurde, sondern sich auch einen Ruf als Epileptologe und Neuropathologe aufbaute. Seine eigene Geschichte hatte eine Moral im Gepäck, die für alle seine Patienten zutraf: Er war entschlossen, niemals einen von ihnen aufzugeben.
    Hier nun, in meinem Krankenzimmer, ging er neben meinem Bett in die Hocke und sagte. »Ich will mein Bestes tun, um Ihnen zu helfen. Ich werde Ihnen nicht wehtun.« Ich sagte nichts, schaute völlig emotionslos. »Okay, fangen wir an. Wie heißen Sie?«
    Eine beträchtliche Pause. »Su…sa…nnn…aaah.«
    »Welches Jahr haben wir?«
    Pause. »2009«.
    Er schrieb auf: »einsilbig.«
    »Welcher Monat ist gerade?«
    Pause. »Appril. Appril.« Ich hatte zu kämpfen.
    Er schrieb »gleichgültig«, was so viel bedeutet wie apathisch.
    »Welches Datum haben wir?«
    Ich schaute vor mich hin, zeigte keinerlei Emotion, sagte nichts, blinzelte nicht einmal mit den Augen.
    Er schrieb: »Mangelhaftes Blinzeln.« Auf diese Frage hatte ich für ihn keine Antwort.
    »Wie heißt unser Präsident?«
    Pause. Ich hob meine Hand steif vor mir hoch.
    Er schrieb »steife Körperbewegungen« auf sein Blatt.
    »Hä?« Keine Emotionen. Nichts.
    »Wie heißt unser Präsident?«
    Er notierte: »Mangelhafte Aufmerksamkeitsspanne.«
    »O… Obama.«
    Er schrieb: »Leise Stimme, monoton mit deutlichem Lispeln.«
    Ich konnte die Bewegungen meiner Zunge nicht kontrollieren. Er holte ein paar Instrumente aus seinem weißen Arztmantel. Mit einem Reflexhammer klopfte er auf meine Kniescheiben, wobei der Unterschenkel nicht so vorsprang, wie er sollte. Er leuchtete mit einem Licht in meine Augen und notierte, dass sich meine Pupillen nicht so verengten, wie sie es hätten tun müssen.
    »Okay, berühren Sie jetzt bitte mit der Hand Ihre Nase«, sagte er und berührte meinen rechten Arm. Steif und wie ein Roboter hob ich meinen Arm mit langsamen Bewegungen und führte die Hand zum Gesicht, wobei ich meine Nase knapp verfehlte.
    »Höllisch katatonisch« , dachte er.
    »Okay«, sagte er und testete nun meine Fähigkeit, zwei Dinge auf einmal auszuführen. »Berühren Sie Ihr linkes Ohr mit Ihrer linken Hand.« Er berührte meinen linken Arm leicht, um rechts von links zu unterscheiden, da er daran zweifelte, dass ich dies selbst erkennen würde. Ich bewegte mich nicht und reagierte nicht; stattdessen seufzte ich. Er sagte mir, ich solle es vergessen, und ging zur nächsten Aufgabe über. »Ich möchte Sie bitten, aus dem Bett aufzustehen und zu mir zu gehen.« Ich ließ die Beine über den Bettrand hängen und rutschte zögernd auf den Boden. Er nahm meinen Arm und

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