Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Realityshow eines Discovery-Senders.
Stephen sitzt neben mir und schaut sich die Show an, seine Hand liegt auf meinem Oberschenkel, ich schlafe auf der Seite liegend, das Gesicht ihm zugewandt. Stephen schaut zu mir. Plötzlich setze ich mich auf und fange an, schnell einzuatmen, ohne auszuatmen. Er streichelt mein Haar. Ich strecke meine Arme gerade vor mir aus, während Stephen nach dem Alarmknopf für die Schwester greift. Er steht neben mir und beobachtet entsetzt, wie ich meine Hände langsam zum Gesicht biege. Die Bewegung ist so bleischwer, dass es aussieht wie eine Stop-Motion-Animation. Eine Schwester kommt. Sie spricht mit Stephen, der laute Fernseher übertönt jedoch ihr Gespräch. Ich sage kein Wort. Stephen versucht zu erklären, was geschehen ist, wobei er ein Ersticken mimt, um ihr zu zeigen, dass ich aufgehört hatte zu atmen. Ich strecke meine Arme wieder aus, während er spricht, aber meine Arme hängen herab wie bei einem Tyrannosaurus Rex. Stephen führt meine Arme vorsichtig an den Körper zurück und massiert meine Schultern, aber meine Hände gehen wieder in die gestreckte Haltung mit einem 45-Grad-Winkel im Handgelenk, wie von Schnüren gehalten. Ich fange an, sie schnell und wiederholt auf und ab zu bewegen. Dann führe ich die Hände wieder ans Gesicht und lege mich steif hin, bis die Neurologin kommt, die Bereitschaftsdienst hat.
Stephen versucht wieder, der Ärztin zu demonstrieren, was passiert ist, er verkrampft seine Arme und knirscht mit den Zähnen. Gestresst und entsetzt, wie er ist, fängt er an zu weinen. Ich stoße einen neben mir sitzenden Teddybär auf den Boden und schlage ungeschickt in die Luft, als würde ich einen Geist abwehren – mit meinen starren Armen sehe ich jedoch aus wie eine Barbiepuppe, die in den Kampf zieht. Die Ärztin stellt mir einige Fragen, doch ihre Stimme ist zu gedämpft, als dass man sie verstehen könnte, aber ich antworte nicht, starre nur in die Luft. Ich lege mich wieder hin.
Dann setze ich mich wieder auf und versuche aufzustehen, woran mich das Seitengitter jedoch hindert. Die Ärztin schiebt das Seitengitter tiefer und reicht mir eine Spuckschale, sie glaubt vielleicht, mir sei übel. Ich wiege mich vor und zurück. Ich lege mich wieder hin, die Spuckschale zwischen den Beinen. Die Ärztin nimmt sie weg und stellt sie neben meinen Kopf.
Ende der Videoaufzeichnung.
In Momenten wie diesen drängte sich Stephen immer die Erinnerung an die Nacht meines ersten Krampfanfalls am 13. März auf. »Was, glauben Sie, war das?«, fragte Stephen Schwester Adeline später an diesem Abend.
»Vielleicht hat sie nur versucht, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen?« Südstaatler nannten Anfälle, die Aufmerksamkeit erwecken sollten, »blue devil fits«, eine anschauliche Beschreibung von Wutanfällen oder Angstanfällen bei jungen Frauen. »Vielleicht war es eine Art Angstanfall?«
Stephen fand diese Erklärung nicht überzeugend. Am nächsten Abend passierte dasselbe wieder.
»Mir … geht es … nicht … guuuuut«, sagte ich und ließ meine Beine aus dem Bett baumeln. Stephen folgte meinem Wunsch aufzustehen, schob das Schutzgitter nach unten, half mir aus dem Bett und führte mich auf den Korridor. Ich fing wieder an, nach Luft zu schnappen und zu weinen. Stephen drückte den Notrufknopf.
»Mein … Herz … tut weeeeeh …«, sagte ich, hielt mir die Brust und krümmte mich auf den kalten Krankenhausboden. »Ich … kriege … keine Luft.«
Eine Schwester eilte herbei. Sie maß meine Vitalwerte und stellte einen leicht erhöhten Blutdruck von 155 zu 97 fest. Sie schloss mich an ein Zwei-Liter-Sauerstoffgerät, das bei Herzproblemen und Konvulsionen hilfreich sein kann. Kurz darauf schlief ich ein. Variationen dieser Szene sollte es nun beinahe jeden Abend geben, wenn Stephen zu Besuch war. Sie passierten nur selten in Gesellschaft anderer Personen. Dafür hat nie irgendjemand eine Erklärung gefunden.
+++
Meine gesamte Familie war zunehmend erschöpft, je mehr Zeit verstrich, ohne dass jemand eine Erklärung zu haben schien. Alle Tests kamen auch weiterhin mit negativem Ergebnis zurück, die Immunglobulinbehandlung schien auch nicht das Wundermittel zu sein, das sich alle erhofft hatten, und es war bisher niemandem gelungen herauszufinden, worauf die hohen Leukozytenwerte hindeuten könnten. Verschlimmert wurde die Lage noch dadurch, dass Dr. Bugsy den Fall abgegeben hatte und dieser Dr. Najjar, von dem alle mit solcher Hochachtung sprachen, bisher
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