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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte, dann hätte es vielleicht noch sehr viel mehr Opfer gegeben«, antwortete Martina. Dann verbesserte sie sich. »Nein. Nicht vielleicht. Bestimmt.«
    »Wieso?«, fragte Will.
    Martina zögerte einen spürbaren Moment. Sie wich seinem Blick aus. Ihre Finger begannen mit dem Rand ihres Tellers zu spielen, den sie bisher noch nicht einmal angerührt hatte. »Es ist nicht so leicht zu erklären, weißt du? Die Geschichte ist … ziemlich kompliziert. Und ziemlich lang.«
    »Versuch es doch einfach«, sagte Will ätzend. »Ich habe heute nichts mehr vor – außer einem Termin mit meinem Vermögensberater, aber den kann ich zur Not verschieben.«
    Martina sah ihn vorwurfsvoll an. »Du verstehst nicht, worum es geht, Will«, sagte sie leise. »Du kennst Dumarest nicht.«
    »Dumarest – und nicht Bettina?«, fragte Will verwirrt.
    »Duffy«, sprang Angela ein. »So hat sie sich bei ihm genannt.« Martina lächelte flüchtig. »Ja, das ist irgendwie typisch für sie«, sagte sie. Dann erlosch ihr Lächeln ebenso schnell wieder, wie es gekommen war, und ein Ausdruck umso größeren Bedauerns ergriff von ihren Augen Besitz. »Du glaubst sie zu kennen, aber das stimmt nicht. »Glaube mir, Duma… Duffy ist nicht das, was du glaubst.«
    »Ach nein?«, fragte Will böse. »Dann muss ich mich wohl bei euch entschuldigen. Ich dachte tatsächlich, sie wäre nichts als ein kleines Mädchen, das halb verrückt vor Angst ist, weil ihr irgendjemand etwas Schreckliches angetan hat. So kann man sich täuschen.«
    Sein Zorn prallte sichtlich von Martina ab, und von Angela erst recht. Vielleicht, weil sie spürten, dass er nicht echt war. Er war empört, weil er als zivilisierter, aufgeklärter Mensch des einundzwanzigsten Jahrhunderts in einer Situation wie dieser einfach empört zu sein hatte, aber im Grunde war diese Empörung nicht echt. Da war etwas in den stummen Blicken, die die beiden ungleichen Frauen manchmal tauschten, das ihn erschreckte; und etwas tief hinten in Martinas Augen, das ihm regelrecht Angst machte.
    »Jetzt sag mir verdammt noch mal endlich, was hier eigentlich los ist!«, verlangte er. »Was hast du mit Duffy zu schaffen? Wer ist dieses Mädchen?«
    Martina atmete hörbar ein. »Ich dachte, das wäre dir längst klar geworden«, sagte sie. »Sie ist meine Tochter.« Sie sah auf und blickte ihm mit sichtlicher Mühe, aber fest in die Augen. »Und deine, Will.«

Kapitel 21
    »Meine Tochter.« Will starrte sie an. Das war … absurd. Nein. Das war das falsche Wort. Will stellte mit einem Gefühl tiefster Verwirrung fest, dass er nicht einmal überrascht war. Aber vielleicht war der Schock auch einfach zu groß. Er blickte abwechselnd von Martina zu Angela und wieder zurück und wartete darauf, dass eine der beiden etwas sagte, aber die einzige Reaktion, die er bekam, war zugleich auch die, die ihn am meisten verwirrte: keine. »Meine Tochter«, sagte er noch einmal.
    Diesmal bekam er eine Antwort. »Unsere«, verbesserte ihn Martina.
    Will hob die Schultern. »Unsere. Und das erfahre ich erst jetzt?« Will war fast selbst überrascht, wie ruhig seine Stimme klang. Er fühlte sich noch immer wie betäubt. Wenn sich Martina und ihre Stieftochter einen Scherz mit ihm erlaubten, dann war er nicht nur außergewöhnlich gut inszeniert, sondern auch überaus geschmacklos. Vielleicht nicht mehr ganz so beherrscht wie zuvor fuhr er fort: »Meinetwegen auch unsere Tochter. Und? Was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun? Auf den Tisch springen und einen Freudentanz aufführen?«
    »Nein«, antwortete Martina leise. Etwas wie eine vage Trauer erschien in ihren Augen. Vielleicht auch Enttäuschung. »Sicher nicht. Ich dachte nur, es interessiert dich.«
    »Oh, natürlich«, sagte Will böse. »Du tauchst nach über zehn Jahren aus der Versenkung auf, lächelst mich an und erklärst mir so ganz nebenbei, dass ich Vater bin?«
    Bei den letzten Worten wurde seine Stimme schrill; er musste sich beherrschen, um Martina nicht anzuschreien, und zugleich hatte er alle Mühe, nicht einfach hysterisch loszulachen. Die Situation kam ihm … surreal vor, so absurd, dass sie erschreckend und lächerlich zugleich schien. Aber nicht nur. Da war auch noch etwas. Etwas, von dem er nicht genau wusste, was es war, aber das ihn zutiefst erschreckte. Die beiden ungleichen Frauen sahen ihn weiter stumm und scheinbar vollkommen ausdruckslos an, aber auch das war nicht die ganze Wahrheit. Da war etwas zwischen ihnen, das er ebenso wenig greifen

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