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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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immer noch derselbe Sumpf«, sagte Martina traurig.
    »Wenn du es so nennen willst.« Die Worte taten weh, weil sie so viel Wahrheit enthielten.
    »Du hast es niemals wirklich versucht, nicht wahr?«, fragte Martina. »Herauszukommen, meine ich.«
    Will hob die Schultern. Er wich ihrem Blick aus. »Versucht? Doch. Ein paar Mal. Aber es ist nicht leicht, weißt du?« Vor allem, wenn man allein ist. Diesen letzten Satz sprach er nicht aus, denn er wollte nicht, dass sie einen Vorwurf darin hörte, den er nicht empfand. Immerhin war sie es, die ihn verlassen hatte, nicht umgekehrt.
    Einzig um Zeit zu gewinnen, löste er den Blick von ihrem Gesicht und sah sich noch einmal in dem großen, sonderbar eingerichteten Raum um. Auch jetzt, als er gezielt danach suchte, konnte er keine Fenster entdecken, aber das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass es keine gab. Schließlich war auch die Tür verschwunden. Angela hatte sie ganz offensichtlich hinter sich geschlossen, und sie passte sich so hervorragend in die Wandvertäfelung ein, dass Will etliche Sekunden brauchte, um sie überhaupt zu finden. Vermutlich galt dasselbe auch für die Fenster. Will beglückwünschte sich in Gedanken dazu, niemals unter Klaustrophobie gelitten zu haben. Wäre es anders, wäre er wahrscheinlich schon durchgedreht.
    Das Fehlen jeglicher Fenster oder sichtbarer Türen war jedoch nicht das einzig Sonderbare hier drinnen. Vorhin, als er eingetreten war, hatte er die zahllosen Kerzen für eine romantische Verirrung seiner Gastgeberin gehalten, aber nun sah er, dass es hier drinnen tatsächlich keine andere Beleuchtung gab. Es waren mindestens hundert Kerzen – wahrscheinlich viel mehr – in allen nur denkbaren Größen und Formen, und auch ihre Verteilung war keineswegs zufällig. Die zahllosen Lichtquellen waren so geschickt aufgestellt, dass es praktisch keine Schatten gab, die Helligkeit aber auch zugleich aus keiner irgendwie erkennbaren klaren Richtung zu kommen schien. Vielmehr hatte man das Gefühl, sich inmitten eines Ozeans aus leuchtender gelb-roter Wärme zu befinden; wie im Herzen einer Flamme, die stetig und warm brannte, ohne sich zu verzehren.
    Er spürte Martinas Blick auf sich lasten und wandte irritiert den Kopf. Sie sah rasch weg, aber nicht rasch genug. In ihren Augen hatte etwas fast Lauerndes gelegen, fand er. So als erwarte sie eine ganz bestimmte Reaktion von ihm. Aber welche? Und vor allem worauf?
    Nachdenklich streckte er die Hand aus und zog einen der kleinen Kerzenständer heran, von denen mindestens ein Dutzend auf dem Tisch verteilt waren, um ihn genauer zu betrachten. Das Licht flackerte, und etwas wie eine rasche, unwillige Bewegung schien durch den gesamten Raum zu gehen; als hätte er das akribisch arrangierte Muster aus Helligkeit und warmen roten Schatten gestört und bekäme nun die Beschwerde dafür. Wie albern. Es musste an dieser Umgebung liegen, dass er anfing, so krauses Zeug zu denken.
    Fast schon trotzig zog er den Kerzenständer noch ein kleines Stück näher zu sich heran und drehte ihn in den Fingern. Es war ein sehr seltsamer Kerzenständer, fand er. Schwer und handgearbeitet und ganz zweifellos teuer, denn Will bezweifelte, dass sich ein so ordinäres Metall wie Zinn in diesen Luxustempel verirren würde, und vermutete, dass der Kerzenständer somit aus massivem Silber bestand, hatte er die Form eines geschuppten Drachen, der sich um eine Art griechischer Säule wickelte. Will konnte nicht sagen, ob er ihn originell oder einfach nur kitschig fand; vermutlich von beidem etwas.
    Der Drache war nicht der einzige im Raum. Das Motiv wiederholte sich mehr oder weniger ausgeprägt auch auf den anderen Kerzenständern, die auf dem Tisch verteilt waren, und nicht nur dort. Genau genommen gab es nicht viel hier drinnen, was nicht in der einen oder anderen Form von einem Drachen geziert wurde: Sie wickelten sich schlangengleich um die großen Kerzenleuchter unter der Decke, ragten mit aufgerissenen Mäulern aus den Wänden, um weitere Kerzen zu tragen, oder verfolgten einander in den geschnitzten Zierleisten, die die Wandvertäfelungen voneinander trennten. Will beugte sich zur Seite und war kein bisschen überrascht, zu sehen, dass auch die Tischbeine die Form gewundener Schlangenleiber hatten, die von weit aufgerissenen Drachenmäulern gekrönt wurden.
    »Hast du deine Vorliebe für Reptilien entdeckt?«, fragte er. »Oder habe ich dich damals mit meiner eigenen kleinen Drachensammlung so beeindruckt,

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