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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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deutlich sichtbar im Gesicht getragen. Er hatte sie verletzt, weil er das Mädchen gesagt hatte, und nicht unsere Tochter. Wenn er es recht bedachte, verletzte es ihn selbst.
    »Du willst wissen, warum ich es dir nie gesagt habe«, vermutete sie.
    Das war ganz und gar nicht die Frage, die er gestellt hätte – wenigstens nicht in diesem Moment –, aber er hob trotzdem die Schultern und deutete zugleich ein Nicken an. »Das wäre ein Anfang.«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Martina nach einem unbehaglichen Zögern. »Damals kam es mir irgendwie richtig vor.«
    »Richtig?«
    Diesmal antwortete sie gar nicht, sondern hob nur abermals die Schultern und zog die Unterlippe zwischen die Zähne, um darauf herumzukauen – eine Angewohnheit, an die er sich noch gut erinnerte. Aber etwas war anders geworden. Er hatte sie als Zwanzigjährige kennen gelernt, die deutlich jünger aussah, als sie war. Jetzt war sie Mitte dreißig, sah zwar noch genauso gut aus wie damals, nichtsdestotrotz aber ein gutes Stück älter, als sie war, und diese kleine Marotte passte ganz und gar nicht mehr zu ihr; ganz gleich, wie sehr er sie damals auch an ihr geliebt haben mochte.
    Aber wenn er genau darüber nachdachte, dann hatte er eigentlich alles an ihr geliebt; selbst die zwei oder drei Dinge, die man eigentlich gar nicht lieben konnte.
    Er spürte selbst, dass seine Gedanken in eine Richtung zu wandern begannen, die sie im Moment lieber nicht einschlagen sollten, und zwang sich mit einer bewussten Anstrengung in die Wirklichkeit zurück, »Duffy«, erinnerte er sich. Mit einem Male ging auch ihm diese alberne Kurzform, die das Mädchen vermutlich selbst erfunden hatte, schwer über die Lippen.
    Martina wich seinem Blick aus. »Was hätte ich denn tun sollen?«, fragte sie.
    »Es mir sagen?«
    »Und wie?« Martina räusperte sich unecht, und als sie ihn wieder ansah, hatte sich etwas in ihrem Blick geändert. Nichts Neues. Auch diesen Ausdruck kannte er nur zu gut von früher. Dass sie nicht wirklich fähig war zu lügen, bedeutete nicht automatisch, dass sie immer die Wahrheit sagte. »Du warst verschwunden, wenn ich mich richtig erinnere. Für … wie lange? Drei Jahre?«
    »Dreieinhalb«, antwortete er verstimmt. »Aber ich war nach zwei Jahren wieder draußen.«
    »Wie beruhigend«, sagte Martina. »Und du meinst, ich hätte auf dich warten sollen?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Wie lange? Und worauf? Dass du das nächste krumme Ding drehst und wieder ins Gefängnis wanderst?«
    Er sah ihr an, dass das längst nicht alles war, was sie ihm zu sagen hatte, aber er hob rasch die Hand. Jetzt war wirklich nicht der Moment, alte Rechnungen zu begleichen.
    »Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?«, fragte er geradeheraus.
    »Wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du von alledem nichts mitbekommen«, antwortete Martina. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Entschuldige. Das war jetzt nicht so gemeint, wie es sich vielleicht anhört. Es ist alles …« Sie hob die Schultern. »Ein bisschen komplizierter, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.«
    Will sah eine Sekunde lang auf den Fernseher. Einer der beiden Knallköpfe da draußen zündete sich in diesem Augenblick doch tatsächlich eine Zigarette an, was zu einer lautlosen grellweißen Lichtexplosion auf dem Bildschirm führte, bevor sich die Elektronik der Überwachungskamera an die veränderten Lichtverhältnisse angepasst hatte. »Für meinen Geschmack ist es kompliziert genug«, sagte er.
    »Wegen deiner Freunde da draußen?« Martina hob die Fernbedienung und drückte eine Taste, und der Anblick von Dumm und Dümmer verschwand und machte dem gleichen, viergeteilten Splitscreen Platz, den auch der Laptop unten im Keller gezeigt hatte.
    Duffy schlief immer noch, aber sie hatte sich auf die Seite gedreht und die Knie angezogen, und auch in dem Zimmer selbst hatte sich irgendetwas verändert, ohne dass er sagen konnte, was.
    »Ich kann mir vorstellen, was du bei diesen Bildern denkst«, sagte sie.
    »Nein, kannst du nicht.«
    Martina ignorierte ihn. »Mir tun diese Bilder genauso weh wie dir«, fuhr sie fort. »Und hundertmal mehr als ihr. Aber es muss sein.«
    »Das habe ich heute schon ein paar Mal gehört«, antwortete Will. »Nur hat mir leider bisher noch niemand gesagt, warum.«
    »Damit sie am Leben bleibt«, antwortete Martina. »Ich weiß nicht, wie lange es uns noch gelingt, aber solange ich es noch irgendwie kann, werde ich um sie kämpfen.« Sie hob die

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