Feuer: Roman (German Edition)
nachdenken wollte.
Und außerdem war es nicht seine Sache.
»Wie du willst«, sagte sie spitz. »Ich warte dann unten in der Küche. Ihr braucht nur zu läuten, wenn ihr irgendetwas wünscht.«
Beleidigt drehte sie sich auf dem Absatz um und rauschte hinaus. Sie verkniff es sich, die Tür hinter sich zuzuwerfen, aber irgendwie hörte Will den Knall trotzdem.
»Danke«, murmelte er.
Martina sah ihn eine halbe Sekunde lang an, als wäre das so ziemlich das Falscheste gewesen, was er überhaupt hätte sagen können. Sie antwortete allerdings nicht, sondern stand auf und ging zur Bar, um sich einen Drink zu machen. »Auch einen?«
Will schüttelte überrascht den Kopf. Er war alles andere als abstinent, aber im Moment hatte er nicht das Gefühl, dass Alkohol seinem ohnehin angeschlagenen Denkapparat gut tun würde – und dass Martina trank, verwirrte ihn ehrlich. In all den Monaten, die sie zusammen gewesen waren, hatte er sie zusammengerechnet nicht mehr als zwei Flaschen Wein trinken sehen; und selbst das nur, um ihm einen Gefallen zu tun, wenn er zu penetrant herumgenörgelt hatte, wie ungemütlich sie doch sei. Martina hatte sich in mehr als einer Beziehung verändert.
Will verscheuchte auch diesen Gedanken. »Was ist da los zwischen euch?«, fragte er, nachdem sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte.
Martina drehte das altmodische Glas aus geschliffenem Kristall in den Fingern, ohne zu trinken, aber Will registrierte trotzdem, dass sie es keineswegs einen Fingerbreit mit Cognac oder was auch immer gefüllt hatte. Das Glas enthielt noch einen Fingerbreit Luft. Martina hatte ihre Gewohnheiten entweder drastischer verändert, als er ahnte, oder sie war wirklich sehr nervös. Als sie nicht antwortete, fuhr er in hörbar schärferem Ton fort: »Und jetzt erzähl mir bitte keine herzergreifende Geschichte von wegen, dass ihr euch normalerweise wunderbar vertragt und eigentlich mehr wie Schwestern seid, und nicht wie Stieftochter und -mutter.«
»Aber genau so ist es«, sagte Martina leise. Sie nippte nun doch an ihrem Glas – nur ein winziger Schluck, bevor sie es mit einer fast erschrockenen Bewegung wieder absetzte, als wäre ihr im allerletzten Moment noch eingefallen, dass sie nicht allein war –und sah ihn an. Es war nicht besonders hell im Zimmer. Das wenige Licht, das übrig geblieben war, nachdem sie den Fernseher ausgeschaltet hatte, reichte kaum bis dorthin, wo sie stand. Die Schatten schienen nicht nur die Spuren der vergangenen zehn Jahre aus ihrem Gesicht zu tilgen, sondern für einen ganz kurzen, verzauberten Moment die Zeit selbst zurückzudrehen; und für einen noch kürzeren Moment wollte er nichts mehr, als aufzustehen und sie in die Arme zu schließen. Natürlich tat er nichts dergleichen, sondern blieb vollkommen reglos sitzen; aber er fragte sich trotzdem ganz ernsthaft, ob es nicht vielleicht ganz genau das war, was sie von ihm erwartete.
»Du musst Angela verstehen«, fuhr sie nach einer kleinen Ewigkeit fort. »Sie ist sonst nicht so, glaub mir.«
»Ja, so etwas höre ich öfter«, seufzte Will. »Ich scheine einen schlechten Einfluss auf Leute zu haben, die sonst nicht so sind.«
Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte Zorn in Martinas Augen auf, aber sie beherrschte sich und reagierte auf die einzig sinnvolle Art, nämlich gar nicht. »Sie ist halb verrückt vor Angst um Duffy«, sagte sie, »das ist alles.« Nach einer halben Sekunde und mit einem angedeuteten Schulterzucken fügte sie hinzu: »Und sie ist nicht besonders begeistert von deiner Anwesenheit.«
Will hatte eher den Eindruck, dass Angela nicht besonders begeistert von ihm war, aber er beließ es dabei und fragte nur: »Warum?«
»Weil sie der Meinung ist, dass wir schon genug Probleme haben …«
»… auch ohne dass einer deiner Ex-Lover hier auftaucht?«, fiel ihr Will ins Wort. Die Bemerkung tat ihm sofort wieder Leid, als er die Reaktion auf ihrem Gesicht bemerkte. Nach einer Sekunde schüttelte sie jedoch nur den Kopf, und so etwas wie die Andeutung eines Lächelns huschte über ihre Züge. »Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, dass du manchmal ein richtiges Arschloch sein kannst?«, fragte sie.
Will nickte. »Öfters. Ist aber schon eine Weile her.«
»Manche Dinge ändern sich eben nie«, antwortete Martina. Sie schüttelte den Kopf und wurde übergangslos wieder ernst. »Sie hat Recht, weißt du? Dass Duffy dich gefunden hat, macht es nicht leichter. Von deinen Freunden da draußen ganz zu
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