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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Es ist alles ganz anders, als Sie glauben. Völlig anders.«
    Anders, echote es, und Will lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er begriff, dass er sich getäuscht hatte, dass es nicht Slavko war, der dort etwas gerufen hatte, und auch nicht Georg oder irgendjemand anderes, sondern dass es tatsächlich ein Echo war, kaum weniger gewaltig, als wenn Reimann von einem Berg herab in ein tiefes Tal hinabgerufen hätte. Der mittlerweile angestrengt, fast rasselnd atmende Polizist hatte immer wieder betont, dass sie sich ihrem Ziel näherten – was auch immer er genau darunter verstehen mochte –, und Will hatte geglaubt, dass er damit im schlimmsten Fall das Ende, zumindest aber die Talsohle des Tunnelsystems, meinen würde, in dem er Duffy oder zumindest einen Hinweis auf sie zu finden hoffte. Doch die hatten sie offenbar noch lange nicht erreicht. Es klang beinahe so, als eröffne sich da unter ihnen eine gigantische Höhle, ein unterirdischer Dom gewaltigen Ausmaßes, der von der Akustik her seinem oberirdischen Pendant, dem Kölner Dom mitten im Herzen der Stadt, in keiner Beziehung nachstand.
    Von Georg, Slavko oder irgendeinem anderen Verfolger war nichts zu hören. Trotzdem war Will alles andere als beruhigt. Eine Vielzahl verschiedenster Geräusche drang zu ihnen herauf, ein Rattern, Stampfen, Säuseln und Zischen, das einem ganz eigenen, aber ganz deutlich erkennbaren regelmäßigen Rhythmus folgte, beinahe so, als ob da jemand ein bizarres Musikinstrument von den Ausmaßen einer Silbermannorgel bediente. Reimann sagte irgendetwas, aber Will bekam nicht das Geringste vom Sinn seiner Worte mit. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den leicht abschüssigen Boden, und erneut fiel ihm auf, wie unruhig der Untergrund war, was für ein Zittern und Beben durch ihn ging, als wäre er gar nicht so fest gefügt, wie er im Schein der Taschenlampe aussah. Hätte er es nicht besser gewusst, so hätte er sich der Illusion hingeben können, sich auf einem Schiff zu befinden, am ehesten noch auf einem Schaufelraddampfer, wie er zwischen Koblenz und Rüdesheim verkehrte, und hineinzulauschen in den Bauch des Schiffes, in dem feurig beheizte Kohlekessel über altertümliche Gestänge gewaltige Räder drehten.
    »Wir sind gleich da«, sagte Reimann mitten in seine düsteren Gedanken hinein.
    »Da? Wo ist das?«, fragte Will geistesabwesend, während er weiter lauschte und versuchte, das Geräusch ihrer eigenen Schritte und ihrer beider Atem auszublenden, so gut es ging. Je besser ihm das gelang, umso mehr Details konnte er in der Geräuschkulisse unter ihnen unterscheiden. Seine Fantasie, die ihm erst vorgegaukelt hatte, dass Slavko dort unten etwas rief, und ihm jetzt weismachen wollte, dass irgendwo nicht weit entfernt Duffy nach ihm schrie und er sie in wenigen Augenblicken vor sich sehen würde, überschlug sich fast in dem Versuch, in den ganzen mechanischen Geräuschen einen menschlichen Laut herauszuhören. Aber sosehr er sich auch bemühte, Duffys, oder wenigstens irgendeine Stimme, zu identifizieren, so sehr brachte ihn das nur dazu, überhaupt nichts mehr richtig auseinander halten zu können und fast wahnsinnig an dem ganzen Geräuschwirrwarr zu werden.
    »Ich denke, das werden Sie dann schon sehen, wenn wir da sind«, antwortete Reimann auf eine Frage, deren Sinn Will inzwischen selbst wieder entfallen war. Doch das spielte im Augenblick keine Rolle. »Sie wollten mich zu meiner Tochter bringen«, erinnerte Will den Polizisten ungehalten. »Schon vergessen?«
    »Nein«, sagte Reimann nervös. »Aber das steht im Augenblick nicht zur Debatte. Ich bringe Sie erst einmal zu den Kältemaschinen.«
    »Und was soll ich da?«
    »Ich nehme an, dass sie so etwas noch nie gesehen haben. Die Maschinen wurden hier installiert, kaum dass die Technik für solcherart Großanlagen zur Verfügung stand. Aber sie haben ein paar Besonderheiten, die sie von allen anderen Kühlanlagen auf der Welt unterscheiden.«
    »Die letzten ungeklärten Geheimnisse der Kühltechnik zu klären war schon immer mein innigster Wunsch«, sagte Will ätzend. »Schon als kleiner Junge bin ich in jeden Kühlschrank gekrochen, der nicht schnell genug vor mir weglaufen konnte.«
    »Ihr Zynismus ist vollkommen fehl am Platz, glauben Sie mir.« Reimann wurde etwas langsamer, was Will fast mit Erleichterung quittierte. Obwohl in ihm eine Unruhe war, die er kaum aushielt und die ihn immer weiter und weiter treiben wollte, spürte er doch, wie sich

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