Feuer: Roman (German Edition)
seine Kraftreserven jetzt erschreckend schnell dem Ende näherten. Vielleicht ging es Reimann auf seine Art nicht viel besser, dafür sprach jedenfalls, dass er mittlerweile so schwer atmete wie ein Boxer in der sechsten Runde kurz vor dem Knock-out.
»Das Entscheidende daran ist nicht die pure Größe«, fuhr Reimann fort, als Will nicht antwortete, »sondern ihre Haltbarkeit. Sie sind ein kleines technisches Meisterwerk für sich. Und weil sie so robust ausgelegt worden sind, brauchen sie natürlich auch den entsprechenden Platz …«
»Gigantische Kältemaschinen im brüchigen Kölner Untergrund, der so löchrig ist, dass man ihn mit dem Finger durchbohren könnte und die Pläne, hier eine U-Bahn zu bauen, schon im Ansatz hat aufgeben müssen«, unterbrach ihn Will gereizt. »Dass ich nicht lache!«
»Es kann jederzeit zu gewaltigen Erdverschiebungen unter Köln kommen, das ist richtig, und es gibt genug Experten, die behaupten, die Stadt könne jederzeit von einem Erdbeben dem Erdboden gleichgemacht werden«, sagte Reimann gereizt. »Aber glauben Sie mir: Genau hier, wo wir uns jetzt befinden, ist der stabilste Bereich des Kölner Untergrunds überhaupt. Die Energie, die sich unterirdisch bildet, die Kraft des Feuers, entweicht überall anders, nur nicht hier.«
»Was soll das heißen: Sie entweicht überall anders?«
»Löcher«, sagte Reimann knapp. »Es gibt nur mit brüchigem Material aufgefüllte Löcher, die die Hitze abführen, die das Feuer nach oben schleudert, wenn hier etwas aus dem Takt gerät wie jetzt gerade, und schlimmstenfalls überall Brände auslösen, nur nicht hier unten – zumindest solange es nicht zu einem Versagen der Kältemaschinen kommt. Denn die drücken ganz gewaltig die Temperatur nach unten, und wenn sie nicht wären, könnten wir hier nicht ohne Schutzanzüge herumspazieren.« Reimann zog Will mit sich in einen anderen Gang, der wieder schmaler, niedriger und vor allem bedrückender war als der römisch anmutende Teil, und eher wegführte von der unterirdischen Halle mit den Kältemaschinen. Warum? Weil Reimann etwa befürchtete, auf einer anderen Route in Georgs Arme zu laufen?
Bevor Will dazu kam, eine entsprechende Frage zu stellen, fuhr Reimann auch schon fort: »Die Stadtarchitekten, die in mehreren Anläufen versucht haben, in Köln eine U-Bahn zu bauen, haben davon natürlich nichts gewusst. Vor einer halben Ewigkeit haben sie die Erde aufbuddeln lassen, um die Tunnel so weit wie möglich im Tageslicht zu bauen. Aber nach ein paar unerklärlichen Brandunglücken hat man die Sache aufgegeben und die aufgerissenen Straßen wieder zugeschippt.«
Will hatte das Gefühl, dass Reimann auf etwas anderes hinauswollte als auf eine Nachhilfestunde in Kölner Verkehrsgeschichte, aber er tat ihm nicht den Gefallen, nachzufragen. Er war sowieso viel zu sehr damit beschäftigt, dem Humpeln nicht noch ein unrhythmisches Stolpern hinzuzufügen, so uneben war hier der verfluchte Gang, der nur gebaut worden zu sein schien, um sein Leiden zu vergrößern. Der pochende Schmerz in seinem Bein jagte schon die ganze Zeit feurige Lohen durch seinen Körper – was immerhin die Kälte Schritt für Schritt aus seinem Körper trieb –, aber jetzt drohte zu dem Humpeln und Nachziehen des Beins auch noch ein unrhythmisches Stolpern über unebenen Boden dazuzukommen, das Will zusätzlich belastete.
»Köln ist tatsächlich zum großen Teil auf einem Kiesbett erbaut worden, und das nicht nur, weil der Rhein mehrfach sein Flussbett verlagert hat, sondern weil sich auch andere Flüsse durch die Kölner Bucht gepflügt haben«, murmelte Reimann, während er Will mit wieder etwas mehr Nachdruck vorwärts schob. »Aber in einer Stadt, in der ein Bauwerk wie der Kölner Dom seit siebenhundert Jahren unverrückbar steht, kann der Boden nicht ganz so nachgiebig wie Wackelpudding sein, wie so oft getan wird. Nein, es hat andere Gründe, warum man es hier aufgegeben hat, zu sehr in die Tiefe zu gehen.«
»Natürlich«, sagte Will. »Warum sollte man auch rumbohren, wo Kältemaschinen im Bauch der Erde rumoren?« Als Reimann nur einen seufzenden Laut von sich gab, fuhr er fort: »Lagert der Stadtrat hier seine geheimen Biervorräte für die nächste närrische Zeit? Oder glaubt er, er könne Köln vor einem Großbrand schützen, indem er unter der Stadt eine gigantische Kühltruhe unterhält?«
Er war sich durchaus bewusst, dass es das letzte Aufflackern seines Widerstands vor dem endgültigen
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