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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Zusammenbruch war, das ihn so sprechen ließ, und auch, wie vollkommen sinnlos es war, Reimann provozieren zu wollen. Aber er konnte einfach nicht anders.
    Reimann schwieg eine ganze Zeit lang unbehaglich. »Ich werde nicht schlau aus Ihnen, Lokkens«, bekannte er dann. »Sie sind doch alles andere als dumm …«
    »Das hörte sich bislang aus Ihrem Mund aber ganz anders an.« »… und Sie müssten doch eigentlich schon längst begriffen haben, dass es hier unten viel wärmer ist, als es eigentlich sein sollte.«
    »Also funktionieren die Kältemaschinen doch nicht so hervorragend, wie Sie mir die ganze Zeit weismachen wollten.«
    »Oh doch, das tun sie«, antwortete Reimann gereizt. »Aber ich hatte Ihnen doch schon erklärt, dass es seinen besonderen Grund hat, warum man hier unter der Stadt eine so gewaltige Anlage errichtet hat …«
    »Dann kommen Sie doch endlich mal auf den Punkt, verdammt!« Will schrie jetzt fast, aber es klang eher wie das Aufquietschen eines in die Enge gedrängten, verwirrten Tieres als nach einer kraftvollen Aufforderung.
    »Wir sind schon an dem Punkt«, antwortete Reimann ungerührt. Wahrscheinlich war er von Verhören her die verschiedensten Temperamentsausbrüche gewohnt, jedenfalls ließ er sich so leicht nicht mehr aus der Ruhe bringen. »Und zwar an dem Punkt, der die Antwort auf all Ihre Fragen birgt – Ihre ausgesprochenen wie auch unausgesprochenen.«
    »Also auch die nach Duffys Aufenthaltsort?«, fragte Will genervt.
    Reimann atmete zwei-, dreimal keuchend aus, packte Will und drückte ihn dann in die Gangmitte. »Wenn Sie so wollen.«
    »Wenn ich so will? Sind Sie übergeschnappt? Es geht mir um nichts anderes als um Duffy!«
    »Dann ist ja gut.«
    »Jetzt hören Sie mir mal zu, Reimann …«, zischte Will.
    »Nein, jetzt hören Sie mir mal zu«, unterbrach ihn Reimann grob. »Dieser Tunnelkomplex hier ist an einer ganz besonderen Stelle errichtet worden.« Die Taschenlampe flackerte ein paar Mal hell auf, und Lichtblitze jagten wie das stroboskopische Flackern einer Discobeleuchtung den Gang entlang, zerrissen ihre Bewegungen in abgehackte Einzelsequenzen. Reimann drückte ein paar Mal hektisch den Schalter der Lampe – an, aus, an, aus –, so als wollte er Morsezeichen geben, und Will hatte das Gefühl, als ob sein Herzschlag verzweifelt diesem viel zu schnellen, unnatürlichen Rhythmus folgen wollte und sich dabei überschlug. Schließlich ließ Reimann die Taschenlampe eingeschaltet, und diesmal gab. sie wieder ein kräftiges, gelbliches Licht von sich, nicht mehr das kränkliche, ins Bläuliche gehende, das so sehr an Wills Nerven gezerrt hatte.
    Seine Erleichterung hielt sich in Grenzen. Das Licht war nicht nur deutlich schwächer, als er es von seiner Begegnung mit Georg weit oben in dem Gewölbe in Erinnerung hatte, es enthüllte auch eine Umgebung, die alles andere als einladend wirkte. Der Gang, in dem sie unterwegs waren, führte leicht schräg in die Tiefe, und obwohl er wahrscheinlich in einer Zeit erbaut worden war, in der die Bewohner Kölns die Ergebnisse ihrer Notdurft noch mit einem Pisspott direkt auf die Straße unter sich entleert hatten, hatte er aber auch überhaupt keine Ähnlichkeiten mehr mit einem römischen Aquädukt, sondern eher mit einem Abwasserkanal. Auf dem rissigen, tropfnassen Gestein hatte sich eine hässliche, grün-weiße Schlierschicht gebildet, die aussah, als hätte hier bereits Pasteur seine ersten Bakterienkulturen angelegt.
    »Dort, wo sich heute moderne Stadtzentren befinden«, sagte Reimann, während er Will weiterzog, »gab es früher meist andere Ansiedlungen, mittelalterliche Gemäuer, erste dörfliche Gemeinschaften. Und wenn man noch weiter in der Zeit zurückgeht – oder tiefer gräbt –, dann stellt man fest, dass alles seinen Ursprung bei einer einzigen, ganz einfachen Behausung hatte. Oder besser gesagt: einer Feuerstelle, um die herum die ersten, nach unseren heutigen Vorstellungen primitiven Anwohner ihre Felder brandrodeten und anfingen, die ersten Hütten und dann die ersten regelrechten Siedlungen zu bauen.«
    »Und was hat das alles mit meiner Tochter zu tun?«, fragte Will aufgebracht.
    »Was das mit einem Mädchen zu tun hat, in dessen Umgebung andauernd Feuer ausbricht – ist es das, was Sie mich allen Ernstes fragen?«, gab Reimann im gleichen Ton zurück. »Mit einem Mädchen, das immer wieder in Zusammenhang mit ungeklärten Bränden gebracht wird und von ihrer eigenen Familie eingesperrt wird, damit

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