Feuer: Roman (German Edition)
herauszufordern, damit sie begriffen, dass er nicht aufzuhalten sei … und das, was wohl am Anfang gestanden hatte, das Gefühl, in einer altertümlichen Schmiede zu stehen, den kalten Brandgeruch der Feuerstelle in der Nase zu haben, der tief in den Schoß der Erde eingearbeiteten Esse mit ihrer rußgeschwärzten Auskleidung aus ganz besonders hartem, sorgfältig behauenem Gestein …
die ich sorgfältig verborgen hatte vor allen allzu neugierigen Blicken, weil ich aller Welt vorgegeben hatte, darauf zu schmieden, was mehr wert war, als man mit Gold, Silber oder Edelsteinen hätte aufwiegen können. Doch nichts davon war jetzt mehr von Bedeutung.
»Ich könnte dir hier und jetzt den Kopf abschlagen, und es würde mich nicht einmal besondere Mühe kosten«, sagte der Wolfsgesichtige, und er sagte es langsam, fast gemächlich, als würde er mir mit einem Becher Met an einem prasselnden Feuer gegenübersitzen. »Oder ich könnte deiner Tochter bei lebendigem Leib das Herz aus dem Leib reißen lassen. Es bliebe sich gleich. Du und die Deinen – ihr seid so oder so verloren.«
Das Gefühl, in der alten, vom Sturmwind gepeitschten und von Brandgeruch erfüllten Schmiede zu stehen, sprang Will an wie eine Raubkatze, die hier in dem alten, stinkenden Gang auf ihn gelauert hatte, um ihre Fänge in seinen Leib zu schlagen. Er taumelte, und das nicht nur, weil seine Beine plötzlich überhaupt nicht mehr seine Last zu tragen schienen, sondern weil er plötzlich das Gefühl hatte, als risse ein Schleier weg, der vor seiner Erinnerung gelegen hatte. Obwohl es vollkommen unmöglich war, jeder Logik widersprach und ihn fürchterlich entsetzte, war er sich plötzlich sicher, dass es nicht Visionen waren, die ihn in dem denkbar ungünstigsten Moment überfielen, nicht die Halluzinationen eines Wahnsinnigen, sondern die bruchstückhafte Erinnerung längst vergangener Geschehnisse.
»Georg wird es nicht wagen«, sagte er, während er noch immer den Wolfsgesichtigen vor sich sah und seinen so schrecklich gleichmütigen Gesichtsausdruck, der im krassen Widerspruch zu seinen Drohungen stand. »Er wird Duffy nicht das Herz aus dem Leib reißen.«
»Was?«, fragte Reimann irritiert. Er keuchte, und es waren Laute, die sich mit dem Heulen des Sturms zu etwas Neuem, Unbekanntem verbanden, und …
die mir einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Ich wusste immer noch nicht, wer der Wolfsgesichtige war, aber ich begann zu ahnen, wer er war, oder zumindest doch, wer ihn geschickt hatte. »Was ist mit Ida?«, fragte ich. »Was ist mit meiner Tochter?«
»Zum tausendsten Mal: Ich weiß nicht genau, wo Ihre Tochter ist«, sagte Reimann, und erst in diesem Moment begriff Will, dass …
ich die Frage laut ausgesprochen hatte.
Natürlich gab der Wolfsgesichtige mir keine Antwort. Er verzog nur höhnisch das Gesicht, und dann trat er ganz nah an mich heran, und ich spürte seinen ekelhaften kalten, von Schnee und Eis durchtränkten Atem, der mir wie der frostige Hauch der Eiswüste im Hohen Norden durch die Glieder fuhr. Seine Augen, schwarz und durchdringend, fixierten mich, und ich hatte das Gefühl, als sähen sie durch mich hindurch und hinab auf den Grund meiner Seele.
»Jetzt kommen Sie endlich weiter«, sagte Reimann schroff und schüttelte ihn mit der einen Hand, in der er auch die Aktentasche hielt, an den Schultern, wodurch die Tasche ein paar Mal mit einem fast metallischen Klicken gegen seinen Arm hieb wie die stumpfe Seite eines Schwertes, schmerzhaft und wuchtig. »Sie können hier nicht einfach stehen bleiben.«
»Was?« Will blinzelte ein paar Mal. Aber auch dadurch wurde es nicht besser. Es war der Wolfsgesichtige, der vor ihm stand, zumindest war er sich dessen für einen Moment vollkommen sicher, doch ging ein Flackern durch seine Umgebung, und im nächsten Moment glaubte er den erschöpften, fast verzweifelten Ausdruck auf Reimanns Gesicht zu sehen und nicht die kalte, wie erstarrt wirkende Maske des Mannes mit den zwei Wolfsschädeln auf den Schulterstücken seines Fellumhangs, der plötzlich in seiner Schmiede gestanden hatte wie ein Todesbote, den ihm die Götter geschickt hatten, um ihn endgültig zu verderben; und dann verschwammen beide Gesichter ineinander, wie in einem wilden Tanz von der Intensität einer Doppelbelichtung, zwei Gesichter, die sich gar nicht ähnlich waren und auch nichts miteinander zu tun hatten; und erst, als Will diesen Gedanken ganz bewusst gedacht hatte, begann das Konterfei des
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