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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wenn ich auf Duffy zu sprechen komme, weichen Sie mir aus und kommen auf etwas ganz anderes zu sprechen.«
    »Keine Sorge«, sagte Reimann »Sie bekommen sie noch rechtzeitig zu Gesicht.«
    »Aber wann!« Will hätte, wenn seine Kraft dazu ausgereicht hätte, Reimann am liebsten gepackt, um ihn ein bisschen durchzuschütteln. »Hören Sie doch endlich auf mit Ihrer Verzögerungstaktik. Sagen Sie mir doch endlich, wohin sie mich bringen – und wo Duffy ist!«
    Reimann blieb mitten im Schritt stehen. Ein Schwall kühler, nach Moder und kaltem Brandgeruch riechender Luft waberte genau in diesem Moment zu ihnen hoch, aber vielleicht kam es Will auch nur so vor, vielleicht war dieser ekelhafte Geruch die ganze Zeit über schon da gewesen, und er hatte ihn nur nicht wahrgenommen, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war, sich weiterzuschleppen und währenddessen endlich die Information aus Reimann herauszukitzeln, die dieser offensichtlich nicht preisgeben wollte.
    »Also gut«, sagte Reimann leise. »Da wir sowieso schon fast da sind, kann ich es Ihnen auch sagen. Ich sage Ihnen, wohin ich Sie bringe. Aber ich kann Ihnen gleich verraten, dass es Ihnen nicht gefallen wird. Weil es alles auf den Kopf stellen wird, was Sie bisher geglaubt haben.«
    Dann beugte er sich ein Stück vor, verdrehte sich fast den Hals bei dem Versuch, in Wills Augen zu starren, und sagte: »Ich bringe Sie zum Drachenfeuer.«

Kapitel 39
    Kältemaschinen. Drachenfeuer. Die beiden Worte hämmerten in Wills Kopf, die ganze Zeit über, in der ihn Reimann tiefer und tiefer in den Bauch der Erde zog. Er hatte nur die Hälfte dessen verstanden, was Reimann auf den letzten Metern in einem schnellen Stakkato vor sich hin gemurmelt hatte, und er war auch ganz und gar nicht in der Stimmung, sich mit irgendwelchen wirren Erklärungen zu beschäftigen, die klangen, als stammten sie von einer abgedrehten Website im Internet. Natürlich hatte er den grundsätzlichen Zusammenhang verstanden, denjenigen, der auf der einfachsten Ebene des Verstehens, der reinen Logik, ohne Probleme von jedem Grundschüler hätte nachvollzogen werden können. Die Kältemaschinen waren geschaffen worden, um das Drachenfeuer in Schach zu halten. Aber was zum Teufel war das Drachenfeuer? Eine Metapher, eine Umschreibung für etwas, das sich trotz des sprunghaften wissenschaftlichen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten nicht vom menschlichen Verstand fassen ließ? Oder ein Geheimnis, eifersüchtig gehütet von einer kleinen Gruppe Eingeweihter, die ihren ganz persönlichen Nutzen daraus ziehen wollte? Es gab sicherlich noch eine ganze Reihe vollständig verschiedener anderer Erklärungsversuche, aber keiner war stichhaltig genug, um Will auch nur im Ansatz davon zu überzeugen –außer dem, dass er hier auf ein sorgfältig gehütetes Geheimnis stoßen würde. Bruchstücke aus seiner Erinnerung an die längst vergangenen Szenen, die ihm in den letzten Tagen in zunehmendem Maße durch den Kopf geschossen waren, als wären sie Teile seiner selbst erlebten Vergangenheit, begannen sich selbstständig zu machen wie Boote, die vom Sturmwind gepeitscht von ihren Ankerketten gerissen wurden. Es waren keine Bombennächte, die ihn wie Visionen plagten, es waren mittelalterliche Szenen, die wie im Zeitraffer an ihm vorbeistürzten, die Erinnerung an dunkle Gewölbe und Verliese, an Verhöre und Auseinandersetzungen, bei denen es stets darum ging, nichts von dem geheimen Wissen preiszugeben, das über Jahrtausende von Generation zu Generation weitergegeben worden war … und das schreckliche Gefühl, vor lauter Hochmut seine Tochter verloren zu haben, mit der er das alte, das unaussprechliche Geheimnis auf Gedeih und Verderb teilte.
    Und dann, während er auch körperlich den Halt verlor und in sich zusammensackte, schien er geradezu weiterzustürzen durch sich überschlagende, nicht mehr einzeln festzumachende Erinnerungen, sah sich hinabstarren auf Feuer und Brände, die ganze Städte und Regionen verheert hatten, spürte in sich die Kraft und die Macht, die ihn weitergetrieben hatte, als alles andere gegen ihn gestanden hatte, eine trotzige, aufbegehrende Stärke, deren Hochmut aus der Gewissheit kam, nicht mehr, nie mehr fehlen zu können, ein gleichermaßen vertrautes wie fremdes Gefühl, fast gänzlich unabhängig von Orten und Ereignissen; die Gier, seinen Einfluss immer weiter auszubauen, den Reichtum der Seinen zu mehren, mehr und immer mehr, höhnisch die Götter zum zweiten Mal

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