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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich hinab, mindestens genauso oft aber auf das Armaturenbrett. Der elektronische Epilepsie-Anfall, den er vorhin beobachtet hatte, wiederholte sich jedoch nicht. Alle Instrumente arbeiteten zuverlässig, und das einzig Beunruhigende, was er sah, war der Zeiger der Uhr, der unerbittlich vorrückte. Er war schon fast eine Dreiviertelstunde über der Zeit.
    »Du glaubst mir nicht«, sagte Duffy plötzlich.
    Wills erster Impuls war, heftig den Kopf zu schütteln und ihr zu versichern, dass er ihr selbstverständlich jedes Wort glaube. Aber er spürte selbst, wie wenig überzeugend diese Lüge gewesen wäre, und so schwieg er erneut für ein paar Sekunden und hob schließlich die Schultern. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich glauben soll«, antwortete er. »Deine Geschichte klingt schon ein bisschen komisch, das musst du zugeben.«
    »Es ist aber die Wahrheit«, beharrte Duffy.
    Ohne seine unangenehme Begegnung mit der schwarz gekleideten Frau und vor allem mit Svens Fäusten hätte Will ihre Worte weiter als hoffnungslos übertrieben und albern abgetan; ein verängstigtes Kind, das zu viele schlechte Filme gesehen hatte oder sich einfach nur interessant machen wollte – aber so … Nein. Er wusste es nicht.
    Und er wollte es auch gar nicht wissen.
    »Selbst wenn ich dir glauben würde«, begann er von neuem und in einem Tonfall, von dem er wenigstens hoffte, dass er einigermaßen verständnisvoll klang, »dann hätte ich erst recht keine andere Wahl, als dich bei der Polizei abzuliefern. Aber das kann ich mir nicht leisten, weißt du?«
    Duffy bedachte ihn mit einem schrägen Blick. »Hast du was ausgefressen?«
    »Nein«, behauptete Will. »Ich will nur keinen Ärger mit der Polizei, das ist alles. Und ich will nicht in irgendetwas hineingezogen werden.« Er schüttelte den Kopf. »Ich mache dir einen Vorschlag: Wenn du nicht zur Polizei gehen willst, dann ist das deine Sache. Ich respektiere das. Aber es gibt doch bestimmt irgendjemanden, der dir helfen kann.«
    »Nein«, sagte Duffy leise. »Niemand kann mir helfen.«
    »Unsinn!«, widersprach Will. »Du musst doch jemanden haben. Eine Familie, Freunde.«
    »Nein«, sagte Duffy.
    »Was ist mit deinen Eltern?«
    »Die sind tot.«
    »Das tut mir Leid«, antwortete Will, und es war in diesem Moment ehrlich gemeint.
    Duffy schüttelte jedoch nur den Kopf und machte eine wegwerfende Bewegung mit beiden Händen. »Muss es nicht. Sie sind gestorben, als ich zwei oder drei Jahre alt war. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern.«
    »Und irgendwelche anderen Verwandten? Eine Tante, ein Onkel …?«
    »Es gibt niemanden«, beharrte das Mädchen. »Meine Eltern hatten keine Verwandten mehr.«
    Das konnte stimmen oder auch nicht, aber es interessierte ihn nicht. Er hatte wahrlich genug andere Sorgen, als sich um eine wildfremde Göre zu kümmern, die vermutlich aus dem Kinderheim abgehauen war und sich jetzt diese Räuberpistole ausdachte, nur um nicht zurückgebracht zu werden.
    Das war möglicherweise eine Erklärung für die wüste Story, die sie ihm aufgetischt hatte. Unglückseligerweise aber nicht für das, was Sven mit ihm angestellt hatte; und schon gar nicht für das, was der Schläger ihm angedroht hatte für den Fall, dass er sich nicht raushielt.
    Will verscheuchte auch diesen Gedanken. Obwohl er sich selbst ein bisschen darüber wunderte, musste er sich eingestehen, dass die Kleine ihm wirklich Leid tat. Aber er konnte sich einfach nicht auch noch ihren Ärger aufhalsen.
    »Wir sind jetzt gleich da.« Er machte eine Kopfbewegung auf die rote Ampel, die vielleicht einen Kilometer vor ihnen aufgetaucht war. »Da vorne setze ich dich ab – es sei denn, dir fällt doch noch jemand ein, den ich anrufen oder zu dem ich dich bringen könnte.«
    »Kann ich … nicht bei dir bleiben?«, fragte Duffy.
    Seltsam – aber diese Bitte überraschte ihn kein bisschen. Genau genommen hatte er damit gerechnet. »Keine Chance«, sagte er. »Von allem anderen einmal abgesehen: Ich bin bestimmt nicht der richtige Umgang für dich. Ich kann dir nicht helfen, Kleines. Selbst wenn ich es wollte.«
    »Aber du willst nicht«, schloss Duffy.
    Will zögerte lange genug mit seiner Antwort, um ihr klar zu machen, wie Recht sie hatte. »Das ist es nicht«, behauptete er. »Ich kann nicht. Wie stellst du dir das vor? Soll ich dich mit nach Hause nehmen und dort verstecken?«
    »Vielleicht nicht für lange«, bettelte Duffy. »Nur für heute Nacht. Höchstens für ein paar Tage, bis ich

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