Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
am nächsten Morgen ziemlich unsanft geweckt, als irgendjemand beharrlich den Daumen auf den Klingelknopf an seiner Tür presste.
    So penetrant das Geräusch war, es brauchte ein paar Sekunden, um durch den Nebel aus Benommenheit und Schlaf zu dringen, der sich über Wills Gedanken ausgebreitet hatte. Er erwachte praktisch sofort, und ein Teil von ihm wusste auch sofort, was dieses Geräusch bedeutete – nämlich Ärger –, aber er war so schlaftrunken und müde, dass er noch einige Sekunden einfach liegen blieb und wider besseres Wissen darauf hoffte, dass das nervende Schrillen endlich aufhören würde. Schließlich aber gab er auf, setzte sich mühsam auf der Bettkante auf und verbarg für einen weiteren Moment das Gesicht in den Händen. Hinter seiner Stirn drehte sich alles, und er war nicht ganz sicher, ob er tatsächlich die Kraft aufbringen würde, aufzustehen und zur Tür zu wanken.
    Das Schrillen der Klingel hielt weiter an. Und wenn der Lärm nicht bald aufhörte, würde der eine oder andere Nachbar die Tür aufreißen und nachsehen, was der Radau zu bedeuten hatte, und das konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Er lebte seit vier Monaten in dieser Wohnung, und zumindest bis jetzt hielten ihn seine Nachbarn für einen anständigen, wenn auch vielleicht etwas verschlossenen Menschen, der einer geregelten Arbeit nachging und keinerlei Anlass zu Beschwerden bei der Hausverwaltung bot, und wenn es nach Will ging, dann sollte das auch so bleiben. Widerwillig nahm er die Hände herunter, stand auf und schlurfte, nur mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet, aus dem Schlafzimmer in den Flur. Die Klingel schrillte noch immer.
    »Ist ja gut, ich komm ja schon!«, rief er, laut, aber noch immer verschlafen nuschelnd. »Verdammt noch mal, was soll denn dieser Radau? Ich …«
    Will brach erschrocken mitten im Wort ab, als er die Tür aufriss und sah, wer davor stand. Genauer gesagt sah er es im allerersten Moment nicht wirklich, denn er blieb eine geschlagene Sekunde lang wie erstarrt stehen und blinzelte verständnislos auf den in Plastik eingeschweißten grünen Dienstausweis, den ihm einer seiner beiden frühmorgendlichen Besucher vor das Gesicht hielt.
    »Herr Lokkens? Wieland Lokkens?«
    Will nickte automatisch und trat ebenso instinktiv einen halben Schritt zurück, wobei er die linke Hand aber auf der Türklinke liegen ließ. Er war schlagartig hellwach, was aber nicht bedeutete, dass er etwa eines klaren Gedankens fähig gewesen wäre. Er hatte es zwar sich selbst gegenüber behauptet, sich aber nicht wirklich und ernsthaft eingebildet, einen solchen Dienstausweis nie wieder zu Gesicht zu bekommen – aber er hatte gehofft, dass es doch etwas länger dauerte. »Das bin ich«, murmelte er. »Aber wer …«
    Der Ausweis sank herab, und das Gesicht, das dahinter zum Vorschein kam, trug so überdeutlich die Züge eines vorzeitig im Dienst ergrauten Kriminalbeamten, dessen harter Kern sich unter einer kaum weniger harten Schale verbarg, dass es schon fast wie eine Karikatur wirkte. Will war jedoch kein bisschen zum Lachen zumute.
    »Mein Name ist Reimann«, sagte der Grauhaarige. »Hauptkommissar Reimann. Das«, er zeigte auf seinen deutlich jüngeren Begleiter, »ist Kommissar Falkenberg. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
    Will trat wortlos zwei weitere Schritte zurück und zog die Tür vollends auf. Reimann und sein mindestens fünfundzwanzig Jahre jüngerer Adlatus traten an ihm vorbei, und während der Blick des Hauptkommissars weiter auf Will gerichtet blieb, sah sich der jüngere Kriminalbeamte unverhohlen um. Als sein Blick über Wills Drachensammlung schweifte, verzog sich sein Gesicht zu einem abfälligen Lächeln. »Darf ich erfahren, was Sie von mir wollen?«, fragte Will. Er hob den Arm, sah auf die Uhr und erschrak selbst ein bisschen. »Es ist noch nicht einmal halb sieben.«
    »Das weiß ich, Herr Lokkens«, antwortete Reimann. »Und ich muss mich auch für die frühe Störung entschuldigen. Aber wir waren gerade in der Gegend, und da wir ein paar Fragen an Sie haben, dachten wir, es wäre eine günstige Gelegenheit, uns einen unnötigen Weg zu ersparen. Ich hoffe doch, das macht Ihnen nichts aus?«
    Hinter Wills Stirn begannen sämtliche Alarmglocken zu schrillen. Reimanns Freundlichkeit war mindestens so falsch wie seine Zähne, und sein Begleiter gab sich gar nicht erst die Mühe, Höflichkeit zu heucheln. Sein Blick war nicht kalt, sondern von einer Art gehässiger Vorfreude erfüllt,

Weitere Kostenlose Bücher