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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weiß, wo ich unterkomme.«
    »Klar«, antwortete Will. Er lachte rau. »Bis du weißt, wo du unterkommst, ich verstehe. Wie alt bist du?«
    »Ich werde fünfzehn«, behauptete Duffy.
    »In wie viel Jahren?«
    »In drei«, gestand Duffy.
    Will maß sie mit einem sehr aufmerksamen Blick. Er glaubte ihr. Kinder, die nach ihrem Alter gefragt werden, machen sich niemals jünger, als sie sind. Aber wenn sie die Wahrheit sagte und tatsächlich erst zwölf war, dann war sie groß für ihr Alter und erstaunlich weit entwickelt. Und sie benahm sich auch nicht wie eine Zwölfjährige. Ihre Wortwahl war fast die einer Erwachsenen, und die wenigen Male, die er ihr direkt in die Augen geblickt hatte, hatte er einen Ernst darin gesehen, der nicht zu einem zwölfjährigen Kind passte. Was immer an der haarsträubenden Geschichte dran sein mochte – er war plötzlich sicher, dass dieses Mädchen schon Schlimmeres erlebt hatte, als er bis zu diesem Moment auch nur geahnt hatte.
    Will verscheuchte auch diesen Gedanken. Er würde es nicht zulassen, dass sie ihn einwickelte, egal, ob bewusst oder unbewusst. »Es geht nicht«, beharrte er. »Ich kann dir ein bisschen Geld geben, wenn dir das weiterhilft, aber mehr kann ich nicht für dich tun.«
    Duffy antwortete nicht. Sie starrte Will nur aus ihren großen, traurigen Augen vorwurfsvoll an, und obwohl er unverwandt nach vorne sah, spürte er ihren Blick und kam sich mit jeder Sekunde schäbiger und erbärmlicher vor. Hätte die Fahrt noch ein wenig länger gedauert, wäre er vielleicht wirklich weich geworden und hätte ihr und vor allem diesem Blick nachgegeben und womöglich etwas ziemlich Dummes getan. Aber diesmal meinte das Schicksal es ausnahmsweise gut mit ihm.
    Sie erreichten die Ampel, die im gleichen Moment auf Grün umsprang, in dem der Aston Martin herangerauscht kam, er bog nach rechts ab und hielt nach weiteren zwanzig oder dreißig Metern an.
    »Endstation«, sagte er. Duffy schaute ihn nur weiter wortlos und vorwurfsvoll an. Will hielt ihrem Blick noch eine einzige Sekunde lang stand, dann beugte er sich über sie, öffnete die Beifahrertür und löste mit der anderen Hand ihren Sicherheitsgurt.
    »Du musst jetzt aussteigen«, sagte er. »Ich kann dich nicht mitnehmen, glaub mir. Bei dem, was ich hier zu tun habe, kann ich dich nicht gebrauchen.«
    »Ich könnte ja im Wagen warten«, sagte sie.
    »Ich fahre nicht mit dem Wagen zurück«, antwortete Will. Diesmal gelang es ihm nicht mehr, ihrem Blick standzuhalten. Stattdessen griff er in die Tasche, zog einen der Geldscheine heraus, die ihm die Frau gegeben hatte, und hielt Duffy den Hunderter hin. »Nimm das«, sagte er. »Vielleicht hilft es dir weiter. Wenigstens kannst du dir etwas zu essen dafür kaufen. Aber zeig es niemandem. Das hier ist keine besonders gute Gegend. Schon gar nicht für Kinder.«
    Ihr Blick machte deutlich, was sie von diesen Worten hielt – und vor allem davon, dass er sie trotzdem in dieser Gegend und lange nach Dunkelwerden so einfach auf die Straße setzte. Aber sie versuchte nicht noch einmal, ihn umzustimmen, sondern griff nach dem Geldschein, steckte ihn ein und stieg wortlos aus. Will zog die Tür hinter ihr zu und gab Gas. Er gestattete sich nicht, noch einmal in den Rückspiegel zu blicken.

Kapitel 4
    Am Schluss war es dann doch nicht so schlimm gekommen, wie er befürchtet hatte. Georg war über die Verspätung nicht erbaut gewesen, aber anscheinend hatte er einen guten Tag und gab sich mit der fadenscheinigen Erklärung zufrieden, die sich Will für seine Verspätung und den abenteuerlichen Aufzug aus den Fingern gesogen hatte, und bezahlte ihm nicht nur den vereinbarten Betrag, sondern lud ihn auch hinterher noch auf einen Drink ein. Als Will die Bar schließlich verließ und in das Taxi stieg, das ihn nach Hause brachte, war er zwar nicht betrunken, aber doch deutlich mehr als nur ein bisschen angeheitert und dazu in einer ausgelassenen Stimmung, die von dem Bewusstsein herrührte, eine Riesen-Dummheit gemacht zu haben und wie durch ein Wunder ungestraft davongekommen zu sein. Er hatte nicht nur den Wagen abgeliefert und dabei einen guten Schnitt gemacht, die Summe, die ihm diese sonderbare Frau gegeben hatte, würde darüber hinaus ausreichen, um ihn für mindestens zwei oder drei Wochen über Wasser zu halten, ohne dass er sich in die Gefahr begeben musste, für ein paar Kröten seine Bewährung aufs Spiel zu setzen.
    Er schlief dennoch nicht gut in dieser Nacht, und er wurde

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