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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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indem sie beide sich an Georg und seine Männer hängten. Keine besonders große Chance, aber sie war da. Und er hatte nichts zu verlieren.
    »Wir müssen Georg hinterher«, flüsterte er Reimann zu.
    Der Polizist starrte ihn verständnislos an.
    »Mit ein bisschen Glück führt er uns zu Duffy«, fügte Will hinzu.
    Reimann schien bei weitem nicht überzeugt, oder er schien gar nicht genau zu verstehen, was Will wollte, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Mit einer entschlossenen Bewegung humpelte Will los.
    Sein Kreislauf kam offensichtlich nicht annähernd so schnell in Schwung wie seine Gedanken. Er taumelte erneut, und hätte ihn Reimann nicht mit einer entschlossenen Bewegung zurückgerissen, er wäre zweifellos vornübergestürzt.

BUCH VII
    Nun kommt der dunkle Drache geflogen,
    Die Natter hernieder aus dunkeln Felsen.
    Das Feld überfliegend trägt er auf den Flügeln
    des Drachenfeuer Leichen – und nieder senkt er sich.
    Edda, Der Seherin Ausspruch

Kapitel 40
    Wenige Minuten später waren seine Sinne gespannt wie die eines Raubtiers, das sich einem nicht minder großen Räuber gegenübersah und wusste, dass es alles auf eine Karte setzen musste, um sein Ziel zu erreichen und seine Pranken in den Körper seines Gegners zu schlagen. Während er neben Reimann auf den Ausgang des Tunnels zuhumpelte – einem wirklichen und wahrhaftigen Ausgang, denn dahinter öffnete sich etwas, das wie eine große Höhle aussah, zumindest, was sich aus dem ovalen, frei einsehbaren Ausschnitt erahnen ließ –, spürte er, dass etwas in ihm erwachte, von dem er bislang nicht einmal geahnt hatte, dass es da war. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, das etwas Uraltes, Mächtiges in ihm berührte, etwas, das all die Jahre in ihm geschlummert hatte, das jede Demütigung, jede Zurückweisung registriert hatte, ohne sich zu erheben, das die ganze Zeit gelauert hatte, immer auf dem Sprung und mit der sicheren Gewissheit, dass der Tag kommen würde, wo seine archaische Kraft geweckt werden würde.
    Zwischen ihm und Duffy stand nur noch Georg, das wusste dieser uralte Teil in ihm. Er wusste noch mehr, viel mehr Dinge, die zu grauslich waren, um sie zu denken, geschweige denn, sie auszusprechen. Nichts davon berührte Will wirklich. Die Bestie in ihm war etwas, für das es keine bewusste Entsprechung gab, etwas, das kein ins Korsett menschlicher Zivilisation gepresster menschlicher Verstand auch nur ansatzweise je begreifen würde …
    Dann, von einem Moment auf den anderen, verging das Gefühl, dass etwas in ihm erwachte; es war, als zöge sich die Bestie in ihm schnell und ansatzlos wieder zurück, als wollte sie ihn glauben machen, es hätte sie nie gegeben.
    Will spürte, wie ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat, während er an Reimanns Seite auf das Ende des Tunnels zuhumpelte, in dem er fast das Opfer seiner eigenen Fantasie geworden wäre. Er musste aufpassen, auf Reimann, von dem er nicht wusste, auf welcher Seite er nun wirklich stand, und auf sich selbst, dass er nicht wieder in etwas abdriftete, was ihn endgültig in den Wahnsinn trieb. Er musste einen kühlen Kopf bewahren, wenn er gegen Georg gewinnen wollte, wenn er selbst das Spiel machen wollte, statt sich wie eine Schachfigur hin und her schieben und letztlich auch opfern zu lassen. Doch genau das fiel ihm nicht nur ein bisschen, sondern geradezu unverschämt schwer, und das nicht nur wegen des dumpf pochenden Schmerzes in seinem Bein und des zunehmenden Schwächegefühls, das ihm sicherlich nicht nur der Blutverlust bescherte, sondern auch wegen des Wummerns der Kältemaschinen, das ständig zunahm und in seinem Kopf zu dröhnen begann, als käme es nicht von außen, sondern aus ihm selbst heraus.
    »Sind wir jetzt …?«, begann er.
    »Nein«, unterbrach ihn Reimann leise, der sofort wusste, welche Frage kommen würde. »Wir sind noch nicht am Ziel. Soviel ich weiß, enden hier vor uns einige Tunnel in einer kleineren Höhle. Und von diesen gibt es wiederum mehrere. Es ist so eine Art Verteidigungsring aus Kältemaschinen.«
    Will gab ein heiser krächzendes Geräusch von sich, und für einen Moment drängte die Empörung über Reimanns Worte sogar den brennenden Wunsch in ihm beiseite, Georg aufzustöbern und sich an seine Fersen zu hängen, um Duffy zu finden. »Ein Verteidigungsring aus Kältemaschinen? Was soll denn der Blödsinn!«
    »Sie können dazu meinetwegen auch Feuereindämmungsring sagen, wenn Sie so wollen«, sagte Reimann ärgerlich.

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