Feuer: Roman (German Edition)
wollte, was ihm und den seinen zu Recht all die lange Zeit verwehrt gewesen war …
»Unser Drachenfeuer.« Das war es, genau das, was ihn sein Vater immer und immer hatte nachsprechen lassen. »Unser Drachenfeuer.«
»Du brauchst nichts weiter zu tun, als das Drachenfeuer zu durchschreiten«, sagte der Wolfsgesichtige. »Rette deine Tochter, rette dich selbst.«
Hatte sein Vater wirklich geglaubt, dass er, sein Sohn, der Konfrontation würde ausweichen können? Ja, das hatte er. Sein Vater war vielleicht mächtig gewesen und reich, er hatte vielleicht vermocht, Entwicklungen vorherzusehen, die kein anderer sah – aber er war auch närrisch genug gewesen, sich allen Ernstes einzureden, dass es ausreichte, seinen Sohn hinter einer harmlosen Existenz zu verbergen, um irgendwann vielleicht einmal einen Erben zu zeugen, der den Machtinstinkt seines Großvaters geerbt hatte und die Linie weiterzuführen vermochte.
Und er selbst? Es war so leicht gewesen, so zu tun, als ginge ihn der Kampf um das Drachenfeuer nichts an. Es war so leicht gewesen, sich auf das Sammeln von ein paar harmlosen Drachenfiguren zu beschränken und alles zu verleugnen, was mit seiner Herkunft zu tun hatte. Wie naiv.
Will schloss erneut, und diesmal mit einem leisen, fast entsetzt klingenden Stöhnen, die Augen.
»Ich sehe, dass du dich erinnerst«, sagte der Wolfsgesichtige. »Das ist gut. Das ist der erste, der wichtigste Schritt. Alles andere wird sich von selbst ergeben.«
Nein, dachte Will. Es gab da niemanden, der einen mit Wolfsköpfen gezierten Fellumhang trug, und erst recht niemanden, der behaupten konnte, es würde sich alles zum Guten wenden, nur weil er sich endgültig vom Drachenfeuer abwandte.
Als er die Augen wieder öffnete, war der Wolfsgesichtige immer noch da. Er war nicht näher gekommen, sondern im Gegenteil wieder ein Stück zurückgewichen, als habe er die Ablehnung gemerkt, die ihm entgegenschlug, aber Will spürte seinen fordernden Blick nun ganz deutlich, diesen Blick, der ihn aufforderte, das zu tun, was man schon vor Tausenden von Jahren von ihm verlangt hatte.
»Nein!«, sagte er. »Ich werde nicht das tun, was du verlangst.«
Der Wolfsgesichtige machte eine leichte Bewegung mit dem Oberkörper, mit der er die Distanz zwischen ihnen nun wieder, und diesmal endgültig, überwand, und das Schwert in seiner rechten Hand vollführte eine blitzschnelle, kreisende Bewegung, die Will kaum mit den Augen einzufangen vermochte. Etwas in Will wollte sich krümmen und winden wie ein Wurm, der sein einziges Heil in der Flucht sah, derselbe Teil, der ihn mehr als zehn Jahre lang dazu gebracht hatte, sich vor Georg wegzuducken wie ein Weichei, statt ihm von Anfang an Kontra zu geben und ihm unmissverständlich klar zu machen, dass man mit einem Mitglied der ältesten und mächtigsten aller Schmiedegilden nicht so umgehen konnte.
»Nein!«, sagte er noch einmal. »Verschwinde. Du gehörst hier nicht hin. Deine Zeit ist längst abgelaufen.«
Seine Stimme zitterte vor Angst und verdarb ihm den Effekt, aber wichtig war nicht, wie, sondern, dass er es sagte. Der Wolfsgesichtige blieb stehen. Der Ausdruck in seinem Gesicht erstarrte zu eiskaltem Hass, und das Schwert in seiner Rechten gefror in schlagbereiter Position. »Ich verlange von dir, dass du das tust, was ich will«, sagte er schneidend. »Sonst werde ich nicht nur dich töten, sondern auch deine Tochter.«
Jetzt, dachte Will, zeigt er sein wahres Gesicht. Duffy zu verlieren, zu wissen, dass sie sterben würde, wenn er das Falsche tat, war eine fürchterliche Vorstellung. Aber der Schmerz brachte ihn zur Besinnung.
Der Wolfsgesichtige beugte sich noch weiter vor, vielleicht, um seiner Forderung mit Gewalt Nachdruck zu verleihen.
»Das würde ich nicht tun«, sagte Will mit schwankender und dennoch erstaunlich energisch klingender Stimme. »Denn es gibt da noch etwas, was du übersehen hast.«
»Und das wäre?«, fragte der Wolfsgesichtige höhnisch.
»Ich selbst habe es in der Hand, was hier passiert und was nicht«, sagte Will. »Und als Erstes muss ich dir eines sagen: Ich glaube nicht, dass es dich wirklich gibt. Jedenfalls nicht so, wie ich dich vor mir zu sehen glaube.«
Der Effekt trat so schnell ein und war so verblüffend, dass Will um ein Haar erschrocken die Luft ausgestoßen hätte. Das, was er in den letzten Minuten vor sich zu sehen geglaubt hatte, brach in sich zusammen wie das Bild eines Fernsehers, den man gerade ausgeschaltet hatte, oder nein, es
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