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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wolfsgesichtige, der Mann, der gedroht hatte, meine ganze Sippe auszulöschen – wirkte so kalt und leblos wie eine Marmorstatue, als er das sagte.
    »Nein, vermutlich nicht«, sagte Reimann. »Aber trotzdem …«
    »Es spielt keine Rolle«, sagte Georg entschieden. »Und damit sollten wir das Thema beenden. Es gibt Wichtigeres zu besprechen.«
    Wichtigeres zu besprechen? Ein Teil in Will kreischte auf wie ein kleines Kind, das man mit siedendem Fett übergossen hatte. Es gab nichts Wichtigeres zu besprechen. Die Frage war und blieb, wessen Herz es war, das er in der Hand hielt. Überhaupt dieser Frage nachgehen zu müssen war mehr, als er ertragen konnte. In ihm war alles wie erstarrt, einerseits, und die Anspannung so groß, dass er gar nicht anders konnte, als stocksteif dastehen zu bleiben, obwohl er doch eigentlich in die Knie hätte einknicken und um sein Gleichgewicht kämpfen müssen, mindestens. Auf der anderen Seite war er wie eine Feder, die man mit aller Kraft zusammengestaucht hatte und die jederzeit explodieren konnte, um ihre Energie in irgendeiner, vorher nicht bestimmbaren Richtung zu entladen.
    »Du kannst es jetzt wieder auf den Boden legen, Will«, sagte Georg, als ob er mit einem kleinen Kind spräche. »Es ist alles wieder gut.«
    In jeder anderen Situation wäre Will ihm die passende Antwort nicht schuldig geblieben. Aber jetzt brachte er kein Wort, nicht einmal einen klaren Gedanken zustande. Er wollte das Herz nicht in der Hand halten. In ihm kämpften der Impuls, es Georg einfach mit voller Wucht ins Gesicht zu schleudern, oder gar nichts zu tun, um die Vorherrschaft.
    »Ich habe eine kleine Aufgabe für dich«, sagte Georg. »Du musst mir einen Gefallen tun, Will. Einen klitzekleinen Gefallen. Etwas, das dich nur ein paar Minuten kostet, mir aber sehr viel bedeuten würde.«
    Jetzt begann Will doch zu schwanken. Er spürte, wie Reimann ihn am Arm packte – nicht an dem Arm, in dessen Hand er das Herz hielt, sondern an dem anderen –, aber es bedeutete ihm nichts. Er konnte schwanken, er konnte stürzen, sein Herzschlag konnte aussetzen, er konnte sich im Todeskampf winden – all das hatte nicht mehr wirklich eine Bedeutung.
    »Du wirst mir doch den Gefallen tun, oder?«, fragte Georg. In seiner Stimme war etwas Lauerndes. »Du wirst doch tun, was notwendig ist, oder?«
    »Nein, Georg«, sagte Will, oder, vielmehr, er hätte es gesagt, wenn er seine Stimmbänder dazu hätte bewegen können, einen Laut von sich zu geben. »Ich werde einen Scheißdreck tun. Ich werde dir keinen Gefallen tun. Ich werde dich töten.«
    Georg schien die unausgesprochenen Worte an seinem Gesicht abzulesen. Seine Augen wurden schwarz und riesig, nicht die Augen eines schmierigen Bordellchefs, wie Will ihn Reimann gegenüber genannt hatte, sondern die eines Raubtiers, das einsam durch die Wälder streift und seine Zähne in jede Beute schlägt, das zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
    »Du wirst es tun«, sagte Georg. »Denn sonst werde ich Duffy töten.«
    Will starrte ihn verständnislos an, und nur ganz langsam tröpfelte die Bedeutung von Georgs Worten in seinen Verstand. Georgs Drohung wäre fürchterlich gewesen, wenn er sie nur ein paar Minuten zuvor ausgestoßen hätte, doch jetzt kam sie Will geradezu wie eine Verheißung vor.
    »Dann ist …«
    »Ich habe Duffy kein Haar gekrümmt, wenn du das meinst«, unterbrach ihn Georg. »Zumindest bislang noch nicht.«
    Will starrte ihn weiter an. Er hatte Georgs Worte durchaus verstanden, aber irgendetwas in ihm weigerte sich, die Erleichterung aufsteigen zu lassen, die jetzt eigentlich fällig gewesen wäre.
    »Ich habe Duffy nichts getan«, sagte Georg. »Das, was du in der Hand hältst, ist jedenfalls nicht ihr Herz.«
    Nicht ihr Herz. Die Woge der Erleichterung, die Will jetzt überschwemmte, war so groß, dass sie jede andere Empfindung beiseite wischte. Er begann zu zittern. Reimann verstärkte seinen Griff, aber er wäre wohl doch gestürzt, wenn er nicht das getan hätte, was ihm in diesem Moment als das einzig Mögliche erschien.
    Er holte mit der Hand aus. In Georgs Gesicht erschien ein ungläubiger Ausdruck. Die Hand, die das herausgeschnittene Herz fester umklammert hielt, als eigentlich nötig gewesen wäre, sauste vor. Georg riss den Kopf beiseite, blitzschnell, und doch zu spät, jedenfalls wäre es zu spät gewesen, wenn Will tatsächlich das getan hätte, was er selbst erwogen und Georg wohl als Absicht in seinen Augen gelesen hatte. Das Herz

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