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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vor Ort gewesen waren, sein Foto zeigte.
    Will verfluchte sich zum hundertsten Mal selbst dafür, am vergangenen Abend diesen Umweg gemacht zu haben, nur weil er Angst gehabt hatte, einer Polizeistreife über den Weg zu laufen. Die Streife hatte er vermieden, aber dafür war er möglicherweise in den größten Schlamassel seines Lebens hineingeschlittert – und, um das Maß voll zu machen, noch dazu, ohne das Geringste dafür zu können. Wenn es so etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit gab, dachte er bitter, dann musste der, der ihre Regeln ersonnen hatte, einen ziemlich makabren Sinn für Humor haben.
    Mit einer fahrigen Bewegung griff er nach Reimanns Visitenkarte und drehte sie unschlüssig in den Händen. Unter der Büronummer des Hauptkommissars war auch die seines Mobiltelefons vermerkt, und einen Moment lang überlegte Will ganz ernsthaft, Reimann anzurufen und noch einmal zurückzuholen, um ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Natürlich würde er aus dem gestohlenen einen geliehenen Wagen machen, sich aber ansonsten streng an die Wahrheit halten. Was hatte er zu verlieren?
    Weder Reimann noch irgendjemand sonst auf der Welt würde ihm diese haarsträubende Geschichte glauben. Selbst ihm fiel es ja beinahe schwer.
    Will ließ die Visitenkarte in der Brusttasche seines Hemdes verschwinden, schloss die Augen und verbarg mit einem fast gequält klingenden Seufzer das Gesicht in den Händen. Es war die klassische Situation: Ganz egal, was er jetzt tat, es war falsch.
    Die Kaffeemaschine hatte aufgehört zu blubbern. Will schenkte sich eine zweite Tasse ein, stürzte sie herunter und merkte kaum, dass er sich die Zunge an dem kochend heißen Getränk verbrannte. Der Panikanfall ebbte ganz allmählich ab, aber das Gefühl vollkommener Ausweglosigkeit blieb. Plötzlich hatte er das Bedürfnis, irgendetwas zu tun, ganz egal was und selbst auf die Gefahr hin, einen weiteren Fehler zu begehen. Wenn er Reimann richtig einschätzte, dann war der jetzt vermutlich schon auf dem Weg in den Roten Fasan, um sein Alibi zu überprüfen. Er musste Georg auf jeden Fall anrufen und ihn vorwarnen.
    Will eilte in das kaum weniger unaufgeräumte Wohnzimmer, in dem das Telefon stand, nahm den Hörer ab und wählte die ersten vier Ziffern, bevor er mitten in der Bewegung innehielt. Vielleicht war er dabei, schon wieder einen Fehler zu machen. Wenn Georg irgendetwas noch mehr hasste als Unzuverlässigkeit, dann war es, in irgendetwas hineingezogen zu werden, das ihn nichts anging –umso mehr, wenn dieses Etwas dazu angetan war, die Aufmerksamkeit der Behörden auf ihn und seine Geschäfte zu lenken. Er musste Georg anrufen, und zwar bevor Reimann und sein Pitbull bei ihm auftauchten, aber er würde sich eine verdammt gute Geschichte zurechtlegen müssen. Wenn Georg auch nur das Gefühl hatte, durch ihn in eine unangenehme Situation geraten zu sein, dann waren Reimann und seine Polizeikollegen eindeutig Wills geringstes Problem. Georg hatte seine ganz eigenen Methoden, sich mit unbequemen Zeugen zu beschäftigen.
    Er hängte ein, nahm den Hörer nach kurzem Zögern erneut in die Hand und hatte gerade die ersten beiden Ziffern gewählt, als eine Stimme hinter ihm fragte: »Wen rufst du an?«
    Will erschrak so heftig, dass er den Telefonhörer fallen ließ. Er knallte auf das Kunststoffgehäuse des Telefons, von dort aus zu Boden und riss den ganzen Apparat mit sich, aber Will registrierte es kaum. Er war bereits herumgefahren und starrte die schlanke, dunkelhaarige Gestalt in verwaschenen Jeans und rosafarbenem Barbie-Nachthemd an, die hinter ihm in der Tür erschienen war.
    »Was …?«, krächzte er. Mehr bekam er nicht heraus. Seine Augen quollen vor Schrecken schier aus den Höhlen, und im ersten Moment weigerte er sich einfach, zu glauben, was er sah. Das konnte doch nicht wahr sein!
    »Oh, entschuldige«, sagte Duffy. »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Sie wirkte ehrlich betroffen, aber auch das nahm Will in diesem Moment kaum wahr.
    »Was ist denn mit dir?«, fragte das Mädchen schüchtern. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Ein Gespenst wäre ihm in diesem Moment auch hundertmal lieber gewesen. Die Lähmung fiel von Wills Gedanken ab, aber er war nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er sich vorzustellen versuchte, was Reimann und Falkenberg wohl gesagt hätten, hätten sie das Mädchen in seiner Wohnung entdeckt – und er hatte

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