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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihnen auch noch großzügig angeboten, sich umzusehen! »Was machst du hier?«, murmelte er. »Wie kommst du hier herein? Wie lange bist du schon hier, und … und woher weißt du überhaupt, wo ich wohne?«
    Duffy legte den Kopf auf die Seite. »Welche Frage soll ich denn jetzt zuerst beantworten?«
    Fassungslosigkeit und Erschrecken machten jäher Wut Platz. »Ich habe dir eine Frage gestellt!«, herrschte er das Mädchen an. »Ich will wissen, wie du hier reingekommen bist!«
    Duffy prallte vor dem plötzlichen Zorn in seinem Blick ein kleines Stück zurück, und der Ausdruck von Betroffenheit auf ihrem Gesicht machte aufkeimendem Trotz Platz. »Die Tür war offen«, sagte sie. »Ich schätze, du warst gestern Abend so betrunken, dass du vergessen hast, sie zuzumachen.«
    Das war nicht wahr. Will war einigermaßen angeheitert gewesen, als er nach Hause kam, aber so betrunken, dass er vergaß, die Tür hinter sich zu schließen, konnte er gar nicht sein. Seine Furcht vor unverschlossenen Türen war beinahe so groß wie sein Hass auf verschlossene; je nachdem, auf welcher Seite sich der Riegel befand. Aber er beließ es für den Moment dabei. »Gestern Abend?«, fragte er. »Woher weißt du das? Wie kommst du hierher? Wie hast du mich gefunden?«
    »Das war nicht schwer«, antwortete Duffy. Sie wirkte jetzt nicht nur trotzig, sondern auch deutlich herablassend. Aber Will fiel auch auf, dass sie noch schlechter aussah als am vergangenen Abend. Die Ringe unter ihren Augen waren dunkler geworden, sie war noch blasser, und ihre Kleidung sah jetzt so aus, als hätte Duffy in einer Mülltonne übernachtet. Sie roch auch ungefähr so. »Sven hat deine Adresse laut vorgelesen, als er ins Auto gestiegen ist«, fuhr sie fort. »Er hat dir deinen Ausweis abgenommen, habe ich Recht?« Sie nickte, um ihre eigene Frage zu beantworten. »Das macht er gern. Er prahlt oft damit, dass das die Leute einschüchtern würde.«
    Die korrekte Formulierung hätte gelautet: Hat oft damit geprahlt, dachte Will. Sven würde mit nichts und vor niemandem mehr prahlen. Aber er schluckte seine entsprechende Antwort gerade noch herunter, trat einen Schritt auf das Mädchen zu und blieb sofort wieder stehen, als Duffy zwei Schritte zurückwich und instinktiv die Arme hob; als hätte sie Angst, er würde sie schlagen. Der Anblick weckte sein schlechtes Gewissen. Obwohl er so gut wie nichts über das Mädchen wusste – und schon gar nichts über den Wahrheitsgehalt der Geschichte –, ergriff ihn wieder ein Gefühl intensiven Mitleids. Unter all dem Trotz und der gespielten Stärke in ihrem Blick sah er einen tief eingegrabenen, unermesslichen Schmerz, den er keinem Erwachsenen gegönnt hätte, und schon gar keinem Kind.
    Als er weitersprach, klang seine Stimme noch immer verärgert, aber es gelang ihm nicht mehr, den Zorn darin zu bewahren. »Und wie kommst du hierher? Die Bar liegt am anderen Ende der Stadt.«
    »Ich hab mir ein Taxi genommen«, antwortete Duffy. »Von dem Geld, das du mir gegeben hast.«
    »So, ein Taxi«, murmelte Will. Sein Zorn war verraucht, und sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, ihn wieder zu beleben. Aber auch die Woge intensiven Mitleids, die ihn gerade überspült hatte, war weitergezogen. Ganz im Gegenteil führte ihm Duffys Anblick wortwörtlich wieder vor Augen, in welchen Schwierigkeiten er steckte. Und auch wenn sie nichts dafür konnte: Sie war der Grund für seine Schwierigkeiten.
    »Dann warst du die ganze Nacht über hier?«
    »Ich habe im Badezimmer gewartet«, bestätigte Duffy. »Als ich gehört habe, dass du aufgestanden bist, bin ich schnell auf den Balkon hinausgelaufen.« Sie machte eine Kopfbewegung zur Tür. »War das die Polizei?«
    Will nickte.
    »Du hast Ärger mit ihnen?«
    »Nein«, antwortete Will. »Sie wollten mir nur ein paar Fragen stellen. Aber wenn sie dich hier gefunden hätten, dann hätte ich Ärger bekommen, ist dir das eigentlich klar?« Er war ziemlich sicher, dass die Kleine ihn anlog; wenn sie tatsächlich draußen auf dem Balkon gestanden hatte, musste sie jedes Wort verstanden haben, das Reimann und er in der Küche miteinander gewechselt hatten. Aber er ging auch darauf nicht weiter ein. Noch nicht.
    »Das wollte ich nicht«, sagte Duffy. Sie sah ihn herausfordernd an, aber als er ihr die erwartete Absolution nicht erteilte, zuckte sie mit den Schultern und wechselte das Thema. »Ich habe Hunger. Hast du was zu essen da?«
    Statt zu antworten, ging Will an ihr vorbei

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