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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zwei Tassen. Will schenkte Reimann und sich ein, stellte die Kanne in die Maschine zurück und brauchte ein paar Sekunden, um die Zuckerdose in dem Chaos auf dem Tisch zu identifizieren. Reimann schüttelte stumm den Kopf, als er sie ihm hinhielt, und Will antwortete mit einem ebenso wortlosen Achselzucken darauf und versenkte sieben oder acht gehäufte Teelöffel Zucker in seinem Kaffee; nicht, dass er pervers genug wäre, das zu mögen, aber er hatte herausgefunden, dass so ein Miniatur-Zuckerschock das beste Mittel war, um schnell wach zu werden – besser als Speed, aber nicht annähernd so schädlich. Reimann jedenfalls bedachte ihn mit offenkundiger Verwunderung und schien nahezu gespannt darauf zu warten, ob Will das heiße Zuckerwasser auch tatsächlich trank, enthielt sich aber jeden Kommentars und nippte schließlich an seinem eigenen, ungesüßten Kaffee, nachdem Will einen gewaltigen Schluck getrunken und genießerisch die Lippen verzogen hatte.
    »Wissen Sie ungefähr, wo Ihre Brieftasche abhanden gekommen ist?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Will. »Und auch nicht genau, wann, bevor Sie fragen.« Die Wahl seiner Worte suggerierte mehr Selbstbewusstsein, als seine Stimme ausdrückte, aber Will versuchte erst gar nicht, cooler zu klingen, als er war. Reimann gehörte nicht zu den Menschen, die sich so plump belügen ließen.
    »Das ist schade«, sagte Reimann, und hinter Wills Rücken und in deutlich schärferem Ton fügte Falkenberg hinzu:
    »Aber vielleicht können Sie sich wenigstens erinnern, wo Sie gestern waren? Sagen wir: so gegen neunzehn Uhr?«
    Will brachte tatsächlich das Kunststück fertig, nicht entsetzt zusammenzufahren, aber er drehte sich vielleicht eine Spur zu schnell zu Reimanns Assistenten herum. »Gestern?«
    »Um neunzehn Uhr«, bestätigte Falkenberg. »Daran werden Sie sich doch sicher erinnern, oder?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Will. Seine Gedanken begannen sich schon wieder zu überschlagen. Gestern um sieben? Er hatte nicht auf die Uhr gesehen, aber das war auch nicht nötig. Gegen neunzehn Uhr begann es zu dämmern, und zu der Zeit, nach der sich Falkenberg erkundigte, war er auf Händen und Knien durch schlammiges Wasser gekrochen, das den Keller einer niedergebrannten Villa in der Südstadt füllte, und hatte ein Mädchen in einem rosa Barbie-Nachthemd gejagt. Also doch. Irgendjemand hatte ihn gesehen, und irgendwie – auch wenn er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie – hatten es die Bullen geschafft, ihn zu identifizieren. Vielleicht über den Wagen. Vielleicht hatten sie den Aston Martin gefunden, und solange der Wagen noch nicht auseinander genommen und seine Einzelteile über halb Europa verstreut waren, wimmelte er geradezu von Wills Fingerabdrücken.
    »Verraten Sie uns also, wo Sie gestern um sieben waren?«, fragte Falkenberg, als er nicht sofort antwortete. »So schwer kann das doch nicht sein.«
    »Nein, natürlich nicht«, erwiderte Will. Falkenbergs Blick wurde lauernd, und Will drehte sich wieder herum und sah Reimann an, bevor er fortfuhr: »Ich war gestern den ganzen Abend in meiner Lieblingsbar«, sagte er. »Dem Roten Fasan. Ich kann Ihnen die Telefonnummer geben, wenn Sie das möchten.«
    »Ich kenne das Lokal«, sagte Reimann.
    »Und dort wird man Ihr Alibi selbstverständlich bestätigen«, vermutete Falkenberg.
    Will sah ihn nicht an, sondern sprach weiter in Reimanns Richtung. »Ich war ungefähr ab sechs Uhr da«, behauptete er. »Vielleicht bis Mitternacht, vielleicht auch ein bisschen länger. Aber wieso Alibi?«
    Falkenberg holte Luft zu einer Antwort, aber auch diesmal kam ihm Reimann zuvor, brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen und griff gleichzeitig in seine Jacke. Eine schmale Plastiktüte knisterte zwischen seinen Fingern, als er die Hand wieder hervorzog. Will versuchte ihren Inhalt zu identifizieren, konnte im ersten Moment aber nur etwas Schwarzes und sonderbar Verkrümmtes erkennen.
    »Ist das hier zufällig Ihr Ausweis?«, fragte Reimann und streckte ihm die Hand über den Tisch entgegen.
    Wills Augen weiteten sich überrascht. Das verschmorte Etwas in der Plastiktüte entpuppte sich bei genauem Hinsehen als die halb zerschmolzenen und zu einem guten Drittel völlig weggebrannten Überreste eines in Plastik eingeschweißten Personalausweises. Um genau zu sein: seines Personalausweises, oder um noch genauer zu sein – des Ausweises, den ihm der Langhaarige am vergangenen Abend abgenommen hatte.
    Will

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