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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in die Küche. Duffy runzelte in verständnisvoller Missbilligung die Stirn, als sie das Chaos sah, aber ihr Gesicht hellte sich schlagartig auf, als er die Kühlschranktür öffnete. Beim Anblick seines Negativbeispiels einer Junggesellenküche hatte sie vermutlich nichts anderes als Dosenbier und einen sechs Monate alten Kohlkopf erwartet, aber er hatte am Tag zuvor eingekauft und sich mit Lebensmitteln für eine Woche eingedeckt, und da seine Geschmacksnerven irgendwann im Alter zwischen zwölf und dreizehn aufgehört hatten, sich weiterzuentwickeln, und Will zu den glücklichen Menschen gehörte, deren Stoffwechsel ungefähr so sensibel reagierte wie eine moderne Müllverbrennungsanlage, ließ der Inhalt des Kühlschranks normalerweise jedes Kinderherz höher schlagen. »Bedien dich«, sagte er knapp. »Was möchtest du trinken?«
    »Cola?«, schlug Duffy vor.
    Will schüttelte den Kopf. »Keine Chance«, sagte er. »Nicht zum Frühstück. Du kannst Milch haben oder meinetwegen auch Kakao.«
    »Milch«, antwortete Duffy. Sie klang enttäuscht, was sie aber nicht daran hinderte, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und mit beiden Händen den Kühlschrank zu plündern. Will ging unterdessen zum Tisch und versuchte mit mehr gutem Willen als wirklichem Erfolg, ihn weit genug frei zu räumen, damit Duffy Platz für ihr Frühstück fand.
    »So, und jetzt erzähl mal in aller Ruhe«, sagte er, während er den Flaschen- und Geschirrberg auf der Anrichte noch vergrößerte, ohne dass der auf dem Tisch dadurch merklich kleiner zu werden schien. »Was genau ist gestern passiert? Nachdem sie dich ins Auto gezerrt haben, meine ich.«
    Duffy stapelte ein halbes Pfund Butter, vier Scheiben Brot, ein Eckchen Schnittkäse, eine Lage Schinken, ein halbes Pfund in Zellophan eingewickelten Aufschnitt und eine Dose Thunfisch auf den Tisch, betrachtete ihr Werk stirnrunzelnd und ging noch einmal zum Kühlschrank zurück, um das Ensemble mit einem Glas Erdnussbutter abzurunden. »Nachdem Sven dich verprügelt hat, meinst du?«, fragte sie.
    »Er hat mich überrascht«, verteidigte sich Will. »Außerdem war ich damit beschäftigt, hinter dir herzujagen.«
    »Mach dir nichts draus«, sagte Duffy, ohne seine Worte auch nur zur Kenntnis zu nehmen. »Du bist nicht der Erste, den er verdroschen hat. Sven ist ein ganz gemeiner Kerl. Es macht ihm Spaß, Leuten wehzutun.« Sie nahm eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und zog einen enttäuschten Schmollmund, als Will sie ihr kommentarlos aus den Händen nahm und gegen einen Liter Vollmilch austauschte.
    »Wir sind gleich losgefahren«, fuhr sie fort, während sie auf demselben Stuhl Platz nahm, auf dem Reimann vorhin gesessen hatte. Ihr Blick taxierte nachdenklich den Berg an Lebensmitteln, den sie vor sich aufgehäuft hatte. Will konnte regelrecht sehen, wie hungrig sie war, aber sie ließ sich trotzdem Zeit, nach dem Messer zu greifen und die erste Scheibe Brot fast fingerdick mit Butter zu bestreichen. »Sven hat deinen Ausweis aus der Tasche genommen und deinen Namen und deine Adresse laut vorgelesen, und dann haben sie sich noch über dich lustig gemacht, und Ma…« Sie verbesserte sich: »Sie hat schließlich gesagt, sie sollen mit dem Unsinn aufhören und sich lieber beeilen.«
    Will sah das Mädchen nachdenklich an. Ma…? Was hatte sie sagen wollen? Mama? Er versuchte sich das verschleierte Gesicht der fremden Frau noch einmal vor Augen zu führen, aber es gelang ihm nicht. Abgesehen von dem Schleier, der die Gesichtszüge der Frau fast vollständig verborgen hatte, war das Licht zu schlecht gewesen, und er hatte sie ja auch nur ganz kurz gesehen. Trotzdem … er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Frau Duffys Mutter sein sollte. »Und dann?«, fragte er.
    Duffy legte zwei Scheiben Schinken, eine Scheibe Emmentaler und vier Scheiben grobe Salami auf ihr Brot, betrachtete ihr Werk kritisch und ging dann erneut zum Kühlschrank, um ein Glas Gurken herauszuholen. Nachdem sie es geöffnet und eine Gurke in dicke Scheiben geschnitten hatte, die sie gleichmäßig auf ihrem essbaren babylonischen Turm verteilte, bestrich sie eine zweite Scheibe Brot nicht wesentlich dünner mit Butter und legte sie obenauf. Das Ergebnis war so dick, dass sie Mühe hatte, es mit beiden Händen zu umfassen.
    »Noch ein bisschen Majonäse?«, fragte Will. »Oder vielleicht Ketchup?«
    »Hast du welchen?«
    »Nein.« Will seufzte. »Du wolltest erzählen, was weiter passiert

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