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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ist.«
    Irgendwie brachte Duffy es fertig, in das Monstrum von Sandwich hineinzubeißen, das sie sich zusammengebastelt hatte. »Genau kann ich mich gar nicht erinnern«, antwortete sie mit vollem Mund, erstaunlicherweise aber noch halbwegs verständlich. »Es gab Streit, aber ich weiß nicht, weshalb. Dann hat es plötzlich furchtbar gekracht, und die Tür ist aufgeflogen. Sven ist mit dem Kopf gegen den Vordersitz geknallt. Er hatte sich nicht angeschnallt, weißt du? Geschieht ihm recht. Jedenfalls hat er mich losgelassen, und ich hab die Gelegenheit genutzt und bin weggelaufen.«
    »So einfach war das?«, fragte Will. Natürlich war es nicht so einfach gewesen. Aber wenn das Mädchen log, dann tat es das sehr überzeugend. »Du bist weggelaufen? Einfach so?«
    Duffy schluckte den gewaltigen Bissen herunter, den sie sich in den Mund gestopft hatte, und trank in einem einzigen Zug fast ein ganzes Glas Milch. Bevor sie antwortete, grub sie die Zähne erneut in ihr Brot, um einen noch größeren Happen abzubeißen, und ihre Worte wurden nun undeutlicher.
    »Ich glaube, der Wagen hat Feuer gefangen, und deshalb haben sie mich nicht weiter verfolgt. Passiert so was nicht andauernd bei einem Unfall?«
    »Nur im Kino«, antwortete Will. »Feuer gefangen? Wieso?«
    Duffy hob die Schultern. »Weiß nicht. Du bist ja dann gleich gekommen, und ich hab mich in deinem Wagen versteckt. Aber sie hätten mich auch ohne das Feuer nicht gekriegt.«
    Sie log sehr überzeugend, aber nicht besonders klug, wie man es eben von einem Kind von elf oder zwölf Jahren erwarten konnte. Will hatte den verschmorten Personalausweis gesehen, den ihm Reimann hingehalten hatte. Immerhin hatte Sven ihn in seiner Jackentasche gehabt, und wer immer in der zugehörigen Jacke gesteckt hatte, hatte sich eindeutig mehr zugezogen, als sich nur den Kopf anzuschlagen. Aber er behielt auch diese Überlegung für sich. Mittlerweile war ihm klar geworden, was er zu tun hatte. Duffys plötzliches Auftauchen hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Jetzt aber war ihm vollkommen klar, was er nun tun musste. Anscheinend hatte das Schicksal beschlossen, ihm doch noch eine allerletzte Chance zu geben, auf den Pfad der Tugend und Wahrheit zurückzukehren. Es würde nicht leicht werden. Er würde trotz allem eine Menge unangenehmer Fragen beantworten müssen, und mit größerer Wahrscheinlichkeit, als er sich jetzt schon einzugestehen bereit war, würde er ziemlichen Ärger bekommen, aber er hatte trotzdem keine Wahl. Er würde Reimann anrufen und ihm das Mädchen übergeben, und um den Rest sollten sich gefälligst die staatlich bestallten Ordnungshüter Gedanken machen.
    Trotzdem fragte er: »Was du gestern Abend im Keller gesagt hast, war das wirklich wahr? Dass dich jemand umbringen will?«
    »Ich lüge nie«, sagte Duffy. »Jedenfalls nicht so.«
    »Die Leute gestern Abend im Wagen – hast du die damit gemeint. Sven und diese … Frau?«
    Er hatte absichtlich hörbar gezögert, aber Duffy zog es ganz offensichtlich vor, die unausgesprochene Frage zu ignorieren, die sich in der laut gestellten verbarg. »Sie kriegen mich nicht«, sagte sie. »Sie hätten mich auch gestern nicht gekriegt, wenn ich ein bisschen besser aufgepasst hätte. Aber noch mal passiert mir das nicht.«
    Gut. Sie wollte nicht darüber sprechen. Es war ihre Sache. Wahrscheinlich war es sogar besser so. Will schloss die Kühlschranktür, die sie vorsichtshalber offen gelassen hatte – nur für den Fall, dass die Hafenarbeiter-Portion vor ihr nicht ausreichen würde und sie Nachschub bräuchte –, verließ die Küche und trat an die Wohnungstür, um sie abzuschließen. Er zog den Schlüssel ab, steckte ihn ein und legte vorsichtshalber auch noch die Sicherungskette vor. Sie hatte kein Schloss, befand sich aber so hoch oben an der Tür, dass ein Kind von Duffys Größe schon auf einen Stuhl steigen musste, um sie zu erreichen.
    Als er in die Küche zurückkam, hatte Duffy nicht nur das schier Unmögliche geschafft und ihr Vier-Lagen-Sandwich bis auf den letzten Krümel verputzt, sondern war bereits dabei, sich eine weitere Collage aus Lebensmitteln anzufertigen; diesmal mit einer anderthalb Zentimeter dicken Schicht Erdnussbutter als Fundament. Sie musste tatsächlich halb verhungert sein. Ohne in ihrer Arbeit innezuhalten oder auch nur aufzublicken, fragte sie: »Warum hast du die Tür abgeschlossen?«
    Will war überrascht. Er war sich sicher, so gut wie kein Geräusch verursacht zu haben

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