Feuer: Roman (German Edition)
Vielleicht bringen sie ja noch mehr.«
Will setzte zu einer scharfen Antwort an, aber dann besann er sich eines Besseren, schüttelte nur noch einmal den Kopf und ging um den überladenen Tisch herum, um sich in einen der beiden anderen Sessel sinken zu lassen. »Ich glaube nicht, dass das nötig ist«, sagte er.
Duffy hörte auf zu kauen und starrte ihn an. Sie schwieg.
»Ich glaube nicht, dass sie in den Nachrichten mehr bringen, als du mir erzählen kannst«, sagte Will. Er behielt Duffy bei diesen Worten sehr aufmerksam im Auge, aber sie beherrschte sich entweder meisterhaft, oder sie wusste wirklich nicht, wovon er sprach. Sie sagte immer noch nichts, sah plötzlich aber ein wenig hilflos aus und schon wieder auf diese seltsame Art erschrocken, die es ihm fast unmöglich machte, seinem Mitleid nicht zu erliegen.
»Erzähl mir von den Leuten, vor denen du Angst hast«, sagte er.
Duffy sagte immer noch nichts, aber sie legte die Chipstüte auf den Tisch, schluckte den Rest, den sie noch im Mund hatte, mit sichtbarer Anstrengung herunter und starrte dann an Will vorbei auf den leeren Bildschirm. »Das … das möchte ich nicht«, sagte sie.
»Das glaube ich dir, Kleines«, sagte Will sanft. »Ich meine: Immerhin habe ich diese Leute kennen gelernt und weiß, dass mit ihnen nicht gut Kirschen essen ist. Aber wenn ich dir helfen soll, musst du mir schon ein bisschen mehr erzählen.«
»Du kannst mir nicht helfen«, antwortete Duffy. Sie starrte noch immer auf den Fernseher, aber ihr Blick war jetzt so leer wie die erloschene Bildröhre. Ihre Stimme wurde nicht nur leiser, sondern verlor nahezu jede Modulation und damit auf eine schreckliche Weise auch einen Gutteil ihrer Menschlichkeit. »Niemand kann mir helfen«, fuhr sie fort. »Diese Leute sind gefährlich. Und sie sind stark.«
»Sie sind nicht unbesiegbar«, antwortete Will. Wie sich gestern Abend gezeigt hat, fügte er in Gedanken hinzu »Erzähl mir einfach von ihnen. Vielleicht fällt mir ein Weg ein, wie ich dir helfen kann – wenn ich erst ein bisschen mehr weiß.«
Für den Bruchteil eines Atemzuges glomm eine fast verzweifelte Hoffnung in Duffys Augen auf, allerdings nur, um nicht nur sofort wieder zu erlöschen, sondern einer ungleich tieferen, jähen Enttäuschung Platz zu machen. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe schon einmal jemandem vertraut«, flüsterte sie. »Sie haben ihn …«
Sie sprach nicht weiter, aber Will hätte in diesem Moment nicht sagen können, was ihn mehr erschreckte: die Möglichkeit, die der nicht ausgesprochene Teil ihrer Antwort implizierte, oder diese grässliche Leere in ihrer Stimme. Hätte er Angst, Entsetzen, ja selbst die unverhohlene Todesangst von gestern Abend in ihrer Stimme gehört, es wäre nicht so schlimm gewesen, denn er begriff sehr wohl, was die vollkommene Teilnahmslosigkeit in Duffys Worten zu bedeuten hatte. Ein verzweifelter Schutz, vielleicht die einzige Möglichkeit, die es für sie gab, über das Erlebte zu sprechen, ohne von dem Schrecken überwältigt zu werden.
»Manchmal hilft es zu reden«, sagte er. Er lachte ganz leise. »Und um ehrlich zu sein – ich bin ziemlich neugierig. Man trifft schließlich nicht jeden Tag jemanden wie dich. Apropos …« Er warf Duffy die Kleider zu, die er gekauft hatte, und sie griff instinktiv danach, verfehlte sie aber, so dass sie sich zu dem bunten Sammelsurium aus Krümeln und Lebensmittelresten auf dem Teppich vor ihr gesellten. Duffy hob eines der bunten T-Shirts auf und runzelte vielsagend die Stirn.
»Vielleicht nicht der letzte Schrei«, gestand Will, »aber immer noch besser als das, was du im Moment anhast.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür. »Ich nehme an, du hast nicht gebadet?«
»Wozu?«, erwiderte Duffy, während sie weiter abwechselnd kritisch das T-Shirt und mehr als nur strafend ihn ansah. »Hat nicht viel Sinn, zu baden und dann die dreckigen Klamotten wieder anzuziehen, oder? Oder warst du scharf darauf, mich nackt zu sehen?«
»Höchstens, weil es dann leichter wäre, dir den Hintern zu versohlen«, erwiderte Will. In der Zeitspanne, die er brauchte, um die Worte auszusprechen, wurden seine Augen hart und seine Stimme so kalt wie Eis. »Lass das. Ich mag solche Scherze nicht.«
»Entschuldigung«, antwortete Duffy. Es klang ehrlich. Sie hob die Schultern. »Aber ich wusste wirklich nicht, was ich anziehen sollte. In deinem Kleiderschrank habe ich jedenfalls nichts Passendes gefunden. Du hast offensichtlich nicht
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