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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geschaut hatte, was ihn leicht verwunderte –er hätte eher auf MTV getippt oder möglicherweise auch auf Super RTL.
    »Hey!«, protestierte Duffy. »Schalt sofort wieder ein!«
    »Wozu?«, knurrte Will, während er sich zu ihr herumdrehte und zuerst sie, dann das Chaos aus zerkrümelten Chips, Keksen, Käse- und Wurstresten und anderen Nahrungsmittelfragmenten musterte, das ihren Sessel umgab, als wäre dort ein zur Bombe umfunktioniertes Carepaket eingeschlagen.
    »Wenn du willst, dass gleich ein wütender Nachbar gegen die Tür hämmert, dann weiter so. Aber vielleicht rufen sie auch sofort die Polizei, um sich über den Lärm zu beschweren.«
    »Schalt wieder ein!«, nörgelte Duffy. »Ich will die Nachrichten sehen. Sie bringen etwas über den Unfall!«
    Will begriff erst nach zwei oder drei Sekunden, wovon sie überhaupt sprach, und er zögerte auch danach noch einmal einen Moment, drehte sich dann aber gehorsam herum, um den Apparat wieder einzuschalten und gleichzeitig die Lautstärke herunterzudrehen. Der Fernseher war nicht mehr der jüngste – alles, was er für sein begrenztes Budget in einem Secondhand-Laden hatte bekommen können –, und er brauchte weitere zehn oder fünfzehn Sekunden, bis er ein leises elektrisches Knistern von sich gab und etwas wie ein schattenhaftes Geisterbild auf der Mattscheibe erschien, das nur langsam deutlicher wurde.
    »Ich sehe nichts!«, protestierte Duffy. »Du stehst im Weg.«
    Will machte einen raschen Schritt zur Seite, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. Es gab allerdings nicht mehr viel zu sehen. Er hatte gerade rechtzeitig genug wieder eingeschaltet, um die letzten anderthalb Sekunden des Berichtes mitzubekommen – und die wenigen Bilder, die er wirklich deutlich sah, verwirrten ihn mehr, als dass sie ihm Informationen lieferten. Ganz offensichtlich waren sie aus einem tief fliegenden Hubschrauber heraus aufgenommen worden und alles andere als scharf, und er erkannte die Straße im Grunde nur wieder, weil Duffy ihm gesagt hatte, worum es sich in dem Bericht drehte. Von einem ausgebrannten Wagen jedenfalls war weit und breit nichts zu sehen. Offensichtlich war das Wrack bereits fortgeschafft worden, aber dafür waren die Spuren des Brandes umso deutlicher. Wie es aussah, hatte man die Straße auf ganzer Länge gesperrt, und Will konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Anwohner dieser teuren Wohngegend darauf reagieren würden, was ein schadenfrohes Grinsen auf seinen Lippen erscheinen ließ. Dort, wo er gestern Abend den gleißenden Feuerball des brennenden Wagens gesehen hatte, wimmelte es derart von Männern in weißen Schutzanzügen, dass der Boden praktisch nicht mehr zu sehen war, aber der Asphalt war auch in weiterem Umkreis geschwärzt, und trotz der schlechten Bildqualität kam es ihm hier und da so vor, als wäre er an manchen Stellen sogar geschmolzen – was natürlich vollkommen unmöglich war. Will zählte mindestens ein halbes Dutzend Einsatzfahrzeuge der Polizei und noch mehr Feuerwehrwagen, dann erlosch das Bild endgültig und machte dem Konterfei einer blonden Moderatorin Platz, die ihn auf beunruhigende Weise an seine Verfolgerin von vorhin erinnerte. Vielleicht war das der Grund, weshalb er rasch die Hand ausstreckte und das Gerät wieder ausschaltete.
    »Jetzt habe ich nicht gehört, was sie gesagt haben«, rief Duffy enttäuscht.
    »Reg dich nicht auf«, antwortete Will. »Die Sendung wird in einer Stunde wiederholt.« Und spätestens dann würde auch er sich den Bericht ansehen, und zwar sehr aufmerksam. Gerade als er auf den Bildschirm geblickt hatte, war es ihm selbst nicht wirklich zu Bewusstsein gekommen, aber im Nachhinein spürte er nun eine immer stärker werdende Beunruhigung, deren Grund er zwar nicht nennen konnte, die aber irgendetwas mit dem zu tun hatte, was er gerade gesehen hatte; ein Gefühl, das ihn an den archaischen Schrecken erinnerte, den ihm die Feuerzeugflamme eingejagt hatte, und das Gefühl, in einem altertümlichen Café am Ende eines verlorenen Krieges zu sitzen und auf jemanden zu warten, den er nicht kannte. Er verjagte den Gedanken und schnitt Duffy, die zu einer weiteren nörgelnden Beschwerde ansetzte, mit einem Kopfschütteln das Wort ab. »Wir müssen uns unterhalten«, sagte er.
    »Ich hätte lieber die Nachrichten gesehen«, antwortete Duffy patzig. Sie stopfte sich eine weitere Hand voll Chips in den Mund und begann sie unter lautstarkem Krachen zu zermahlen. »Such lieber einen anderen Sender.

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