Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
erschien zumindest die Andeutung eines schüchternen Lächelns in ihrem Gesicht. Sie sammelte die Kleidungsstücke auf, die sie fallen gelassen hatte, aber sie ging nicht direkt zur Tür, sondern machte einen kleinen Umweg, der wie zufällig wirkte, sie aber – bestimmt ganz und gar nicht zufällig – am Fenster vorbeiführte. Und der Blick, mit dem sie die Straße unten absuchte, war ein bisschen zu beiläufig, um noch überzeugend zu wirken. Will sagte nichts dazu, und er blieb auch reglos stehen, bis sie nicht nur das Wohnzimmer verlassen, sondern die Badezimmertür hinter sich geschlossen hatte, dann aber trat auch er ans Fenster und sah sehr viel aufmerksamer als Duffy zuvor hinaus.
    Er wusste nicht, wonach sie gesucht hatte, aber das, wonach er Ausschau hielt, war nicht da. Und wahrscheinlich würde es auch nie auftauchen, dachte er. Jetzt, mit einigem Abstand, war er sich gar nicht mehr so sicher, dass die junge Frau ihn wirklich verfolgt hatte. Sie hatte sich seltsam benommen, aber das konnte Zufall sein. Das Leben bestand schließlich zum überwiegenden Teil aus nichts anderem als einer Reihe sich gegenseitig bedingender Zufälle. Die Situation, in der er sich befand, war kompliziert genug. Er musste Acht geben, dass er nicht ein Opfer seiner eigenen Fantasie wurde und noch mehr Fehler beging.
    Er konnte hören, wie drüben im Badezimmer Wasser in die Wanne lief, sah einen Moment nachdenklich in die entsprechende Richtung und wandte sich dann wieder dem Fenster zu. Der Verkehr unten auf der Straße war vollkommen normal, und auch an den Passanten, die auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig vorbeigingen, war rein gar nichts Außergewöhnliches. Es war sogar die eine oder andere blonde Frau dabei, aber keine, deren Haar aussah, als wäre es mit flüssigem Gold getränkt worden, und die sich alle Mühe gab, wie eine geistige Zwillingsschwester von Joan Baez aufzutreten.
    Er blieb dennoch gut fünf Minuten am Fenster stehen und beobachtete die Straße, dann machte er sich mit einem resignierten Seufzer daran, das Chaos zu beseitigen, das Duffy hinterlassen hatte. Als er damit fertig war, war das Zimmer nicht wirklich aufgeräumter als zuvor, aber zumindest die Keks- und Chipskrümel auf dem Teppich waren verschwunden.
    Da er im Moment nichts Besseres mit sich anzufangen wusste, schaltete er aufs Neue den Fernseher ein. Der Sender, auf dem vorhin die Nachrichtensendung gelaufen war, zeigte jetzt die Wiederholung einer Soap vom vergangenen Abend, und auch die anderen Programme waren nicht wesentlich informativer. Will rief sich noch einmal die Bilder von vorhin in Erinnerung und verspürte erneut diese tiefe Beunruhigung, die die zwei oder drei Sekunden lange Sequenz, die er wirklich gesehen hatte, in ihm hinterlassen hatte. Vielleicht hätte er sich mit Duffys lapidarer Erklärung doch nicht so schnell zufrieden geben sollen. Irgendetwas stimmte mit diesem angeblichen Unfall nicht. Das, was er auf den verwackelten Luftaufnahmen erkannt hatte, sah nicht aus wie ein ausgebrannter Pkw – schon eher wie das, was übrig bleiben mochte, wenn ein mit hochexplosiven Chemikalien beladener Tanklaster Feuer fing.
    Er schaltete weiter und fand schließlich einen Kanal, auf dem tatsächlich eine Nachrichtensendung lief, und im ersten Moment glaubte er sogar, Glück gehabt zu haben, aber noch bevor die Bild- und Wortfetzen einen Sinn ergeben konnten, klingelte es an der Wohnungstür.
    Will sah überrascht auf. Ganz davon abgesehen, dass er keinen Besuch erwartete, war es noch nicht einmal neun, und absolut niemand, der ihn kannte, wäre auf die Idee gekommen, ihn zu dieser gotteslästerlichen Zeit aus dem Bett zu klingeln.
    Deutlich beunruhigter schaltete er den Fernseher aus und trat mit einem raschen Schritt ans Fenster, um noch einmal auf die Straße hinabzusehen. Das Bild hatte sich nicht geändert.
    Das Klingeln wiederholte sich. Es war nicht annähernd so aufdringlich wie vorhin, als Reimann ganz offensichtlich den Daumen auf dem Klingelknopf hatte liegen lassen, aber es klang schon erheblich fordernder als das erste Mal, und Wills Beunruhigung stieg noch weiter, als er sich der Wohnungstür näherte. Instinktiv sah er zum Bad zurück. Die Tür war geschlossen, und er vernahm immer noch das Rauschen des einlaufenden Wassers, so dass Duffy die Klingel vermutlich gar nicht hören konnte.
    Will öffnete die Tür – und riss so ungläubig Mund und Augen auf, dass er einen ziemlich dämlichen Anblick bieten musste, denn

Weitere Kostenlose Bücher