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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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viel Damenbesuch?«
    »Keinen, der seine Sachen hier lässt«, erwiderte Will. »Und wenn, dann würden sie dir nicht passen.« Diesmal lächelte er, während er antwortete, und obwohl Duffy keine Miene verzog, spürte er, wie sich die plötzlich angespannte Stimmung wieder löste. Die Schärfe, mit der er auf die Anspielung reagiert hatte, die sie vermutlich aus keinem anderen Grund gemacht hatte als dem, ihn zu reizen, tat ihm längst wieder Leid. Er hatte plötzlich das fast sichere Gefühl, dass Duffy deutlicher wusste, worüber sie sprach, als es ein Kind ihres Alters wissen sollte.
    »Diese Leute gestern Abend«, begann er erneut, »die Frau in dem schwarzen Kostüm – waren das die, vor denen du Angst hast?«
    Fast zu seiner eigenen Überraschung bekam er eine Antwort, auch wenn sie nur in einem starren Blick und einem abgehackten Nicken bestand. Duffys Gesicht blieb weiter unbewegt, aber ihm fiel auf, mit welcher Kraft sie plötzlich das T-Shirt umklammerte.
    »Die, die gedroht haben, dich umzubringen.«
    Wieder ein wortloses Nicken. Duffys Hand schloss sich noch fester zur Faust. Noch ein wenig mehr, dachte er besorgt, und sie würde sich die Fingernägel durch den Stoff des T-Shirts hindurch in die eigene Handfläche graben. Er konnte fast körperlich fühlen, unter welch furchtbarer Anspannung das Mädchen plötzlich stand, und es fiel ihm immer schwerer, des Mitleids Herr zu werden, das ihn erfüllte. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er das intensive Bedürfnis, einfach aufzustehen und sein Gegenüber in die Arme zu schließen, um es schützend an sich zu drücken. Aber er widerstand diesem Drang. Das Mädchen tat ihm unendlich Leid, und ihm war klar, wie sehr er sie mit seinen Fragen quälen musste, aber er spürte auch, dass er ganz dicht davor stand, endlich ein paar Antworten auf die unzähligen Fragen zu bekommen, die ihn quälten.
    »Was durftest du nicht verraten?«, fragte er. »Was war so schlimm, dass sie damit gedroht haben, dich umzubringen, wenn du es jemandem erzählst?«
    »Sie … sie haben mich in diesem … diesem Haus gefangen gehalten«, antwortete Duffy leise, stockend und erst nach einer kleinen Ewigkeit. Ihr Blick blieb weiter leer, aber in ihrer Stimme war jetzt ein Gefühl – auch wenn Will eine Menge dafür gegeben hätte, diesen grässlichen Schmerz nicht hören zu müssen. »Und sie haben … sie haben schreckliche Dinge mit mir getan. Mit … mir und … den anderen.«
    »Den anderen?« Will wurde hellhörig. »Waren da noch andere Kinder? Und von was für schrecklichen Dingen sprichst du?«
    »Ich … ich will nicht darüber reden«, flüsterte Duffy. »Sie hat es mir verboten.«
    »Sie?«
    »Sie hat gesagt, dass sie … dass sie mich töten werden, wenn ich darüber rede«, flüsterte Duffy. Ihre Stimme wurde noch leiser und war jetzt kaum noch zu hören. »Sie hat gesagt, dass sie mich kriegen werden, ganz egal, wo ich mich verstecke, und ich weiß, dass sie Recht hat. Sie finden einen überall.«
    »Von wem sprichst du?«, fragte Will. Er hatte sich aufgerichtet und gebannt ein wenig vorgebeugt, aber als ihm seine Haltung bewusst wurde, zwang er sich, sich wieder zurücksinken zu lassen und sich ganz demonstrativ zu entspannen. Er bewegte sich auf dünnem Eis; viel dünnerem, als ihm bis zu diesem Moment selbst klar gewesen war. Jeder Kinderpsychologe, der der Szene ansichtig geworden wäre, hätte vor Entsetzen wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, aber man musste auch keine zwölf Semester studiert haben, um einfach zu sehen, dass das Mädchen kurz vor dem Zusammenbruch stand. Will mahnte sich in Gedanken zur Vorsicht. Er war vielleicht nahe daran, endlich ein paar Antworten zu bekommen, aber wenn er jetzt einen Fehler machte, dann würde er womöglich gar nichts mehr von ihr hören.
    »Schon gut«, sagte er. »Wir können später weiterreden, wenn du möchtest.«
    Duffys Blick machte klar, dass sie das nicht wollte, weder später noch irgendwann. Aber als sie antwortete, hatte ihre Stimme wieder ein ganz kleines bisschen an Festigkeit gewonnen. »Sven war der Schlimmste von ihnen«, sagte sie. »Und jetzt ist ihm etwas … passiert. Ich weiß das.«
    »Das habe ich befürchtet«, sagte Will.
    »Aber da … da sind noch andere«, murmelte Duffy stockend.
    »Andere«, wiederholte Will langsam. Er sah das Mädchen jetzt ganz bewusst nicht mehr direkt an. »Männer oder Frauen – ich meine: Kannst du sie mir beschreiben?«
    »Warum?« Die

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