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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Leere in Duffys Augen machte schlagartig Misstrauen und jäher Bestürzung Platz; vielleicht sogar Panik.
    »Nur so«, behauptete Will. »Ich meine: Die Polizei wird dir die gleichen Fragen stellen.«
    »Ich will nicht zur Polizei!«
    »Ich weiß«, antwortete Will geduldig, schüttelte zugleich aber auch den Kopf. »Aber wir werden es müssen. Wenn diese Leute wirklich so gefährlich sind, wie du sagst, dann bin ich vielleicht nicht in der Lage, dir zu helfen.«
    »Die Polizei schon gar nicht«, behauptete Duffy. »Sie haben keine Angst vor ihr. Sie fürchten niemanden, auch nicht die Polizei.«
    Gegen seinen Willen schmunzelte Will. »Ich glaube, jetzt unterschätzt du die Polizei aber gewaltig«, sagte er. »Wenn es um Kinder geht, dann sind sie weder langsam, noch nehmen sie auf irgendjemanden Rücksicht.«
    »Du weißt ja nicht, wovon du redest«, behauptete Duffy. »Dann erklär es mir«, verlangte Will.
    »Versprich mir, dass du nicht die Polizei anrufst«, beharrte Duffy. »Sonst sage ich kein Wort mehr!«
    Will seufzte tief. »Zu irgendjemandem werden wir gehen müssen«, sagte er geduldig. »Du kannst nicht einfach hier bei mir bleiben, bis du achtzehn geworden bist.« Er schüttelte den Kopf, als Duffy schnaubend die Luft einsog, um zu protestieren, und fuhr etwas lauter fort: »Überleg doch mal. Wenn diese Leute wirklich so gefährlich sind, wie du behauptest, dann werden sie früher oder später herauskriegen, wo du bist. Wenn ich dir wirklich helfen soll, dann musst du mir schon Gelegenheit dazu geben.«
    »Keine Polizei«, beharrte Duffy.
    Will registrierte mit einem Gefühl vorsichtiger Erleichterung, dass sie zwar immer zorniger wurde, zugleich aber ihre Fassung zurückgewann. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er. »Ich verspreche dir nicht, nicht die Polizei zu rufen, aber ich gebe dir mein Wort, dass ich es nur tue, wenn uns beiden wirklich nichts anderes einfällt. Gibt es sonst niemanden, der dir helfen könnte? Deine Eltern oder irgendwelche Verwandten?«
    »Meine Eltern haben mich doch …«, begann Duffy, schluckte den Rest des Satzes herunter und biss sich so heftig auf die Lippe, dass es wehtun musste; als wollte sie sich selbst für die Worte bestrafen, die ihr um ein Haar entschlüpft wären. »Sie sind tot«, sagte sie. »Schon lange.«
    »Und andere Verwandte?«
    Duffy hob die Schultern. »Ich weiß nicht.«
    »Du weißt nicht, ob du Verwandte hast?«
    »Ich war so lange dort. Meine Mutter hat … hat Verwandte gehabt, aber ich weiß nicht, wo sie leben. Oder wie sie heißen.«
    Will seufzte. Als er sie das letzte Mal danach gefragt hatte, hatte sie behauptet, dass es keine lebenden Verwandten ihrer Eltern mehr gebe. Aber es spielte keine Rolle, ob das Mädchen diesmal die Wahrheit sagte oder nicht – so kam er jedenfalls nicht weiter.
    »Lass uns später weiterreden«, sagte er. »Jetzt geh dich säubern und umziehen. Wenn du willst, beziehe ich dir das Bett frisch. Wenn du wirklich die ganze Nacht auf dem Balkon gewesen bist, musst du todmüde sein.«
    »Das bin ich auch«, gestand Duffy. »Aber ich glaube nicht, dass ich schlafen kann.«
    »Dann ist ein heißes Bad die beste Methode, um das herauszufinden«, antwortete Will. Er stand auf, blickte auffordernd auf Duffy hinab und wartete darauf, dass auch sie sich erhob. Sie tat es auch, aber erst nach einer Weile, zögernd und auf eine Weise widerwillig, die ihm klar machte, dass sie es nur um seinetwillen tat, nicht weil ihr wirklich danach war. Als sie sich mühsam aus dem Sessel hochstemmte, fiel sein Blick wieder auf ihr zerrissenes Hosenbein und die verschorften Kratzer darunter.
    »Vielleicht sollte ich besser in die Apotheke gehen und einen Verband besorgen. Und etwas zum Desinfizieren.«
    »Das ist nicht nötig«, antwortete Duffy rasch und fast erschrocken. »Es ist wirklich nur eine Schramme.«
    Das war untertrieben, aber ihre Behauptung hatte nichts mit der falschen Tapferkeit zu tun, die Kinder manchmal an den Tag legen; vielmehr machte allein der Schrecken in ihren Augen Will klar, dass sie fast panische Angst davor hatte, sich von ihm berühren zu lassen. Wenn sie wirklich das erlebt hatte, was er aus ihrem kurzen Bericht herauszuhören glaubte, dann war sie wahrscheinlich schon viel zu oft von Erwachsenen berührt worden.
    »Ganz wie du willst«, sagte er.
    Duffy schien einen Moment lang darauf zu warten, dass er noch mehr sagte und vielleicht auch etwas ganz anderes, aber als er sie nur schweigend anblickte,

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