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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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baumelten. Die Aktion brachte ihnen nur Sekunden, aber vielleicht waren es die entscheidenden, denn als Will nach unten sah, erkannte er, dass die Lava aufgehört hatte, sich auszubreiten. Vielleicht ließ der Druck, der sie aus dem Erdinneren herauspresste, allmählich nach, vielleicht hatte sich das weißglühende Gestein auch irgendwo im Kellergeschoss des Hauses einen anderen Weg gesucht – der Pfannkuchen aus geschmolzenem Erdreich und Stein hörte nicht nur auf, sich auszudehnen, sondern begann bereits abzukühlen und glühte an den Rändern nicht mehr gelb, sondern in einem rasch dunkler werdenden Rot, das hier und da bereits von einer runzeligen braun-roten Haut bedeckt war.
    Dennoch gab es keinen Zweifel daran, dass das Gebäude nicht mehr zu retten war. Die Treppe brannte bereits zu mehr als zwei Dritteln. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis die Flammen den ersten Stock erreicht hatten, und damit Reimann und ihn. Er versuchte noch einmal, seinen rechten Arm zu zwingen, nicht nur wie ein nutzloses Stück Holz von seiner Schulter zu baumeln, sondern sich zu bewegen, und fast zu seiner eigenen Überraschung gelang es ihm sogar.
    Reimann machte eine instinktive, unbeholfene Abwehrbewegung, als er die Hände unter seine Achselhöhlen schob und ihn in die Höhe zerrte, aber Will achtete nicht darauf, sondern verdoppelte seine Anstrengungen nur noch. Reimann machte einen taumelnden Schritt und fand dann in einen stolpernden Rhythmus, der unbeholfener aussah, als er war. Der Abstand zwischen ihnen und den Flammen, die sie verfolgten, wuchs wieder ein wenig, während sie sich der nächsten Treppe näherten.
    Wovor sie nicht davonlaufen konnten, das war die Hitze. Selbst die Luft, die sie atmeten, schien zu brennen, und obwohl sie sich mit jedem Schritt weiter vom brennenden Teil des Treppenhauses entfernten, wurde es immer heißer. Dazu kam, dass der Rauch mit jeder Sekunde dichter zu werden schien. Selbst wenn er seine Lunge zwang, hundert Grad heiße Luft einzuatmen, würde die bald einfach nicht mehr so viel Sauerstoff enthalten, wie sie brauchten, um zu überleben.
    Reimann ließ sich schwer atmend gegen die Wand sinken. »Ich … ich schaffe es … nicht«, keuchte er. »Gehen Sie … allein weiter.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage«, bellte Will. Aber seine Antwort war kaum mehr als ein blinder Reflex; etwas, das man in einer Situation wie dieser eben sagte, weil es sich so gehörte. Unglückseligerweise hatte Reimann Recht: Nicht nur der Polizist, sondern auch er selbst hatte wahrscheinlich kaum noch die Kraft, die nächste Treppe zu überwinden. Und selbst wenn: Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, dass das Gebäude ein Raub der Flammen werden würde, binnen sehr weniger Minuten und mit allen, die sich darin befanden.
    Vielleicht aber auch nicht.
    Ein noch härterer Stoß traf das Haus, heftig genug diesmal, um Will um ein Haar von den Füßen zu reißen. Das polternde Geräusch von oben wiederholte sich und war dieses Mal so laut, als bräche der gesamte Dachstuhl zusammen. Möglicherweise würden Feuer und Hitze nicht mehr genug Zeit bleiben, um sie umzubringen.
    Sie stand in der Tür der Wohnung, die ihr einst Schutzraum und Gefängnis gleichermaßen gewesen war. Dicke Qualmwolken drangen aus dem Wohnungsinneren heraus, erstickend und grauschwarz, fast stofflich wirkend. Clara hatte die Hand vor das Gesicht geschlagen; ob in einer Geste lähmenden Erschreckens oder um sich vor dem Rauch zu schützen, hätte ich nicht einmal zu sagen vermocht.
    Aus der Wohnung drang ein leises Wimmern, kaum hörbar in dem Prasseln, Zischeln und Tosen, das durch das Treppenhaus tobte. Ich hätte nach vorne springen müssen, zu Clara hin, um sie zu packen und notfalls gewaltsam aus dem Haus zu schleifen. Aber ich konnte es nicht. Es hätte niemand mehr in der Wohnung sein dürfen, nicht nach dem Fliegeralarm, der alle in die Keller und Schutzräume trieb, angetrieben vom Blockwart. Es durfte einfach niemand mehr hier sein.
    Es sei denn, er war, wie Clara, nach dem Fliegerangriff hier heraufgeeilt.
    Während Will versuchte, Reimann wieder auf die Füße zu helfen, sah er sich gleichzeitig und mit wachsender Verzweiflung um. Trotz der immer dichter werdenden Qualmwolken bemerkte er, dass die Flammen aus dem Erdgeschoss bereits über das Treppengeländer züngelten. Und selbst wenn sie die Kraft gehabt hätten, weiter nach oben zu flüchten, hätte dies das Ende nur um Minuten hinausgezögert. Es gab nichts,

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