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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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brutalen Schlägertypen gesehen, mit denen er sich gerne umgab. Georg hatte entweder sein Vertrauen in die Menschheit wiederentdeckt – oder er wollte ihm auf diese subtile Art zeigen, wie wenig Angst er vor ihm hatte. Will hätte nicht sagen können, welcher Gedanke ihn mehr irritierte oder beunruhigte.
    Georg öffnete die Tür zu seinem Büro und schaltete das Licht ein. Im Gegensatz zur Bar hatte der Raum ein Fenster, das Will aber noch nie offen gesehen hatte, und obwohl draußen heller Sonnenschein herrschte, waren die schwarzen Lichtschutz-Rollos auch jetzt heruntergelassen. Wären die äußeren Umstände anders gewesen, wäre Will wahrscheinlich etwas unbehaglich zumute geworden. Die schwarzen Jalousien vor den Fenstern erinnerten ihn ebenso wie die ständig präsenten Schläger und der Wagen mit den schusssicheren Scheiben daran, dass Georg Beziehungen zu Kreisen pflegte, für die ein Menschenleben eine Lappalie war.
    »Setz dich.« Georg wedelte aufgeregt mit der rechten Hand, während er sein Tempo beschleunigte, um hinter den riesigen –und vollkommen leeren – Schreibtisch zu gelangen, der den Großteil des vorhandenen Platzes beanspruchte, und sich in den ebenso überdimensionierten Ledersessel dahinter fallen zu lassen. »Auf der Anrichte steht frischer Kaffee. Du siehst aus, als könntest du einen gebrauchen. Und bring mir auch einen mit.«
    Wenn Will jemals einen starken Kaffee gebraucht hatte, dann jetzt. Es war nicht nur die Erschöpfung, die ihm zu schaffen machte und seine Hände leicht zittern ließ, sondern auch die wie üblich viel zu kalt eingestellte Klimaanlage, die Georgs Büro auf unangenehme fünfzehn bis sechzehn Grad herunterkühlte. Will steuerte die Anrichte an, die ebenso überdimensioniert und kostbar war wie der Schreibtisch, schenkte sich ein und stürzte die erste Tasse hinunter, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, Zucker oder Milch hineinzutun. Der Kaffee schmeckte scheußlich und war so heiß, dass er sich die Zunge daran verbrannte, aber er konnte beinahe augenblicklich spüren, wie das Koffein seine Lebensgeister zu wecken begann. Will wartete mit geschlossenen Augen, bis der Kaffee seine belebende Wirkung vollends entfaltet hatte, dann schenkte er – ein wenig ruhiger – zwei weitere Tassen ein, trug sie zum Schreibtisch und ging noch einmal zurück, um das Milchkännchen und die Zuckerdose zu holen. Er hätte auch das Tablett nehmen können, aber er tat es ganz bewusst auf diese umständliche Art, um Zeit zu gewinnen. Er hätte nicht einmal selbst sagen können, wozu, aber er hatte plötzlich das Gefühl, dass es wichtig war. Sein allererster Gedanke war richtig gewesen, nicht der zweite:
    Es war keine Paranoia, die er fühlte. Hier stimmte etwas nicht. Georg benahm sich ganz und gar nicht so, wie er es erwartet hätte, oder, um es genauer auszudrücken: Georg benahm sich nicht wie Georg. Will war sich durchaus des Umstandes bewusst, dass vor allem er es war, mit dem etwas nicht stimmte, und dass durchaus die Möglichkeit bestand, dass Georg völlig der Alte und hier alles in Ordnung war, während er selbst sich einfach auf dem besten Wege befand, seinem Verfolgungswahn endgültig zu erliegen. Aber er war eben nicht sicher.
    So unauffällig, dass es einfach auffallen musste, ging er mit seiner Last zum Tisch zurück, lud sie darauf ab und gewann noch einmal eine gute halbe Minute, indem er Zucker und Milch in seine Tassen gab und dann so lange umrührte, bis Georg die linke Augenbraue hob und ihn zwar lächelnd, aber nun doch mit leiser Ungeduld anblickte. Will grinste entschuldigend, deutete ein Achselzucken an und nippte am Kaffee. Anschließend lehnte er sich zurück und schloss geschlagene zehn Sekunden die Augen, als genieße er den Geschmack des viel zu starken Gebräus. Vermutlich machte er sich in Georgs Augen damit endgültig zum Narren, aber das interessierte ihn nicht. Georg hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ihn für einen Idioten hielt; oft genug behandelte er ihn auch so.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Georg.
    »Schon besser«, antwortete Will. Er nippte wieder an seinem Kaffee. »Ehrlich gesagt habe ich dich immer für verrückt gehalten, diesen teuren Kaffee aus Jamaika zu importieren, aber ich muss meine Meinung wohl ändern.« Er grinste schief. »Das Zeug weckt Tote auf.«
    »Damit hast du wohl Recht«, gab Georg zurück. »Ich meine: Für einen toten Mann bist du ziemlich lebendig.«
    Will zog es vor, nicht auf diese Bemerkung

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