Feuer: Roman (German Edition)
ausrichtete.
Das Bild erstarrte, als Georg auf eine Taste seiner Fernbedienung drückte. »Beeindruckend, nicht?«, fragte er. »Aber wahrscheinlich kannst du mir viel mehr darüber erzählen. Ich meine –du warst doch dabei.«
»Nicht … nicht wirklich«, antwortete Will. Er riss seinen Blick für einen Moment vom Fernseher los und sah Georg an, und er wünschte sich fast, es nicht getan zu haben. Georg sah eindeutig neugierig aus, aber in seinen Augen schien auch noch etwas anderes zu sein, etwas Lauerndes, das dem unguten Gefühl in Will noch weitere Nahrung gab.
»Ich verstehe.« Georg wirkte ein wenig enttäuscht, hob aber nur die Schultern und ließ das Band weiterlaufen. »Ich nehme an, da warst du schon tot.«
Diesmal fiel es Will schwer, nicht darauf zu antworten. Das war eine von Georgs zahlreichen unangenehmen Angewohnheiten: Er pflegte seine sarkastischen Bemerkungen mit einer Eiseskälte von sich zu geben, die nicht im Geringsten komisch wirkte. Will konzentrierte sich wieder auf das Geschehen auf dem Bildschirm. Die Moderatorin im Off gab sich Mühe, ihre Stimme gebührend entsetzt klingen zu lassen, während sie die rasch wechselnden Bilder kommentierte, aber er hörte kaum hin. Der Fernseher zeigte jetzt eine Luftaufnahme, die offensichtlich von einem tief fliegenden Helikopter aus gemacht worden war und abrupt abbrach, als die Maschine sich der schwarz-grauen Rauchwolke näherte, die aus dem brennenden Dachstuhl quoll. Es folgten weitere Bilder des brennenden Hauses aus allen nur denkbaren Positionen und weitere Kommentare, und nach einer Weile drückte Georg erneut auf die Pause-Taste und fror das Bild ein. Als sich Will diesmal zu ihm herumdrehte und ihn auffordernd ansah, schüttelte er nur den Kopf und legte die Fernbedienung demonstrativ vor sich auf den Tisch.
»Was zum Teufel ist da passiert?«, wollte er wissen.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Will. »Ich weiß nur, dass plötzlich Feuer ausgebrochen ist. Ich bin aus dem Haus gerannt und einfach weg.« Er hätte selbst nicht sagen können, warum er Georg anlog. Er wurde sich seiner eigenen Worte erst in dem Moment bewusst, als er sie aussprach, aber aus dem Schrillen einer Alarmglocke in seinem Kopf war mittlerweile ein Kreischen geworden, das eigentlich auch Georg hätte hören müssen.
»Blödsinn!«, sagte Georg. Er machte eine Kopfbewegung zum Fernseher hin, hob die Fernbedienung und ließ das Bild so präzise bis zu einer bestimmten Stelle vorlaufen, als hätte er es ein Dutzend Mal geübt; wahrscheinlich hatte er es. »Das da wird dich interessieren!«
Für weniger als eine Sekunde war noch das Lodern eines brennenden Hauses auf dem Fernsehgerät zu sehen, dann wechselte das Bild, und Will fuhr erschrocken zusammen. Auf der Mattscheibe war jetzt ein wenig schmeichelhaftes Porträtfoto eines mindestens zehn Jahre jüngeren Falkenberg zu sehen, von dem die leichenbittere Stimme der Kommentatorin erklärte, dass es sich um einen hoffnungsvollen jungen Polizeibeamten handelte, der bei dem mutigen Versuch, die Hausbewohner in Sicherheit zu bringen, höchstwahrscheinlich ums Leben gekommen sei. Höchstwahrscheinlich stimmte eindeutig nicht, dachte Will. Und was die anderen Hausbewohner anging, so waren sie Falkenberg vermutlich vollkommen egal gewesen. Er lauschte einen Moment in sich hinein, aber er fand keine Spur von Mitleid. Das würde er allerhöchstens empfinden, wenn sie gleich ein vermutlich noch älteres Foto von Reimann zeigten, aber sie zeigten es nicht. Das Bild wechselte, und anstelle von Reimanns Konterfei erschien ein nicht ganz so altes Polizeifoto, auf dem Will niemand anderen als sich selbst erkannte. Georg hielt das Bild wieder an, wartete, bis Will sich zu ihm herumgedreht hatte und ihm so die Gelegenheit bot, ein breites Grinsen anzubringen, und schaltete den Fernseher dann mittels der Fernbedienung aus.
»Du bist berühmt, mein Lieber«, sagte er, während er sein Wolfsamulett zwei-, dreimal gedankenverloren hin und her drehte. »Immerhin hast du es geschafft, dass dein Name im Fernsehen genannt wird – wenn auch leider nur bei deinem Nachruf.«
Verwirrt blickte Will noch einmal zu der jetzt schwarz gewordenen Mattscheibe des Fernsehgerätes hin, ehe er sich endgültig im Sessel umwandte. »Sie … sie denken, ich wäre … tot?«
»Genau wie dieser Polizist.« Georg nickte.
»Nur dieser eine?« Will verfluchte sich innerlich für seine eigenen Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte, denn die
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