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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihn nur weiter gleichermaßen fragend wie beunruhigt ansah, schüttelte Georg mit einem angedeuteten Seufzen den Kopf, stand auf und ging mit bewusst langsamen Schritten um seinen Schreibtisch herum. »Du hast uns eine Menge Kopfzerbrechen bereitet, weißt du das eigentlich, mein Freund?«
    »Wenn du das Zimmer meinst«, antwortete Will, »ich bezahle natürlich dafür. Aber du musst mir ein bisschen Zeit geben. Ich bin im Moment …«
    »Abgebrannt?« Georg blieb stehen, drehte sich für einen Moment zu ihm herum und grinste.
    »So könnte man es nennen«, gestand Will. Er versuchte sich an gestern zu erinnern, daran, was er Georg gesagt oder nicht gesagt hatte. Hatte er mit ihm über das Feuer gesprochen? Er wusste es nicht.
    »Du bist sogar noch viel mehr, mein Lieber«, sagte Georg mit einem leisen, nicht wirklich amüsiert klingenden Lachen; es war eher ein Meckern. »Du bist tot – und jetzt sag mir nicht, davon hättest du nichts gewusst.«
    »Wie bitte?«, machte Will.
    Georg stand ein paar weitere Sekunden reglos da und machte keinen Hehl aus der Schadenfreude, die ihm Wills verwirrter Gesichtsausdruck bereitete, dann setzte er seinen Weg fort und trat an einen verchromten Teewagen neben der Tür, auf dem ein Fernsehgerät und ein angeschlossener Videorecorder standen. Ohne irgendein Wort der Erklärung schaltete er beides ein, legte eine Kassette ein und ging mit der Fernbedienung in der Hand zurück zu seinem Sessel. Wills Blick wanderte verstört zwischen dem Bildschirm und Georgs Gesicht hin und her, aber Georg wäre nicht Georg gewesen, hätte er Will nicht endlose Sekunden lang weiter mit dem bestimmten Blick gemustert, mit dem er selbst abgebrühte Schläger nervös machen konnte. Schließlich tat ihm Will den Gefallen und fragte: »Tot?«
    »Mausetot«, erwiderte Georg. Er hob die Fernbedienung, zielte damit aber nicht auf den Recorder, sondern auf Will und tat so, als handele es sich um irgendeine Science-Fiction-Waffe, mit der er ihn im nächsten Moment einäschern würde.
    Er schwenkte die Fernbedienung ein wenig nach links und drückte auf eine Taste. Will konnte hören, wie der Recorder ansprang, und als er sich im Sessel herumdrehte, nahm auf dem Bildschirm das dreifarbige Logo der Vorabendnachrichten Gestalt an. Das ungewohnt ernste Gesicht einer blonden Moderatorin blickte ihn an, dann erfolgte ein harter Schnitt, und schon ihre ersten Worte unterlegten die reißerischen Aufnahmen eines brennenden Häuserblocks, den Will nur wenige Stunden zuvor mit eigenen Augen gesehen hatte. Trotzdem erschrak er. Das Haus, in dem Will bis zum vergangenen Morgen gewohnt hatte, hatte sich in den Schlot eines Hochofens verwandelt, aus dem rot-gelbe Flammen und schwarzer, fettiger Rauch quollen, und auch die beiden benachbarten Gebäude waren eindeutig nicht mehr zu retten, trotzdem schien das Feuer aus unerfindlichem Grund dort Halt gemacht zu haben. Doch das war es nicht, was ihn erschreckte.
    Was Will vor Entsetzen fast lähmte, wie erstarrt dasitzen und die hektisch flackernden Bilder auf der Mattscheibe anstarren ließ, das war zweierlei: Es war die unglaubliche Realität des Films. Es sollte umgekehrt sein. Will hatte vor ein paar Stunden selbst dort gestanden und genau diese Bilder mit eigenen Augen gesehen, live, dreidimensional und in Farbe, und doch kam ihm dieser Fernsehbericht hundertmal wirklicher vor als das, dessen Zeuge er gewesen war. Es war, als begriffe er erst jetzt, als aus dem Albtraum, den er erlebt hatte, bewegte Bilder im Fernsehen wurden, die Millionen Menschen gleichzeitig überall im Land sehen konnten, was tatsächlich geschehen war. Und da war noch etwas. Etwas, das er tatsächlich erst jetzt wirklich sah: Gestern Morgen hatte er dort, wo sich die zerborstene Haustür befinden sollte, ein grelles, blinzelndes gelbes Auge aus purer Glut gesehen. Nun war daraus ein Schlund geworden, aus dem eine zähflüssige rote Masse quoll, die sich langsam wie halb erstarrter, leuchtender Gelee in einem größer werdenden Halbkreis auf dem Bürgersteig und der Straße ausbreitete und alles in Brand setzte, womit sie in Berührung kam; selbst den Asphaltbelag der Straße. Zwei der mittlerweile sicher sieben oder acht Feuerwehrwagen, die zusammengekommen waren, konzentrierten ihren Wasserstrahl auf die allmählich vorrückende, zäh fließende Masse, aber Will sah auch, dass ein Großteil des Wassers verdampfte, lange bevor er der Lava auch nur nahe kam, und der kümmerliche Rest praktisch nichts

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