Feuer: Roman (German Edition)
Häme in Georgs Augen machte einem Misstrauen Platz, das die ganze Zeit über in seinem Blick gewesen war und das er bisher nur mühsam unterdrückt hatte. Vielleicht hatte Will es auch einfach nur nicht gesehen.
»Wieso?«
»Ich meine: Es hat sonst keine Toten gegeben? Nur diesen Polizisten?«
Das war nicht die Antwort, die Georg hatte hören wollen. Er starrte Will ein paar Sekunden lang durchdringend an, aber dann hob er leicht enttäuscht die Schultern und schüttelte übertrieben den Kopf. »Nur ihn und dich – jedenfalls sagen sie das. Ein paar Leute hat es wohl ziemlich übel erwischt, aber angeblich schwebt keiner davon in Lebensgefahr.«
Aber er hatte doch gesehen, wie Reimann starb! Er war vor seinen Augen abgestürzt und von der lodernden Hölle unter dem Fußboden verschlungen worden!
»Also, was war da los?«, fragte Georg. »Und versuch mir keinen Bären aufzubinden. Was wollte der Bulle von dir?«
Wieso hatten sie nichts von Reimann gesagt? Und wieso stellte Georg solche Fragen? Es fiel Will schwer, seine Gedanken so weit zu ordnen, dass er wenigstens antworten konnte. »Ich weiß es nicht, verdammt noch mal!«, sagte er. »Ich habe nicht mal mit ihm gesprochen. Er hat an die Tür geklopft, und ich hatte gerade aufgemacht, als das Feuer ausgebrochen ist.«
»Du solltest bei der Wahrheit bleiben«, sagte Georg kalt. »Die Bullen waren zweimal hier.«
Als ob das etwas Besonderes wäre, dachte Will. Manche Polizisten verkehrten fast so häufig in Georgs Etablissement wie die Freier der Mädchen, an die er seine verwanzten Rattenlöcher vermietete; manchmal in Personalunion. »Und?«
Georgs Augen wurden schmal. Seine rechte Hand schloss sich für eine Sekunde so fest um das Wolfsamulett, dass die Adern wie dünne blaue Stricke durch die Haut stachen, und Will konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fiel, sich zu beherrschen, aber es gelang ihm. »Mach es mir doch nicht so schwer, Junge«, sagte er seufzend. »Die Bullen waren hier und haben nach dir gefragt. Zweimal. Einmal gestern, einmal vor einer Stunde. Also, was wollten sie?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung«, versicherte Will. Aus der leichten Gänsehaut auf seinem Arm begann so etwas wie die Vorstufe zu einem Schüttelfrost zu werden, und Will musste sich zusammenreißen, um Georg nicht zu bitten, die Klimaanlage auszuschalten. »Aber es hat nichts mit dir zu tun, keine Sorge«, fügte er rasch hinzu, als er sah, dass ihm Georg nicht glaubte.
»Ich mache mir mehr Sorgen um dich als um mich«, behauptete Georg. »Aber ich bin auch Geschäftsmann. Ich kann es mir nicht leisten, die Aufmerksamkeit der Bullen auf mich zu ziehen. Also: Hast du mit diesem Feuer irgendwas zu tun?«
Will schüttelte nur den Kopf. Das war es nicht, was Georg wissen wollte. Da war noch mehr. »Ich weiß darüber weniger als du«, sagte er. »Ich bin einfach weggelaufen. Ich war in Panik. Ich wollte dir keinen Ärger bereiten, aber ich … ich wusste einfach nicht, wohin, und …«
Georg unterbrach ihn mit einer großspurigen Handbewegung. »Das ist völlig in Ordnung«, sagte er. »Du hast Hilfe gebraucht und bist zu mir gekommen. Dazu sind Freunde schließlich da. Und ich habe niemandem was gesagt, keine Angst. Offiziell giltst du als vermisst, aber sie nehmen an, dass du tot bist.«
»Und was wollten sie dann hier?«
»Das ist ja das Komische«, erwiderte Georg. »Bis jetzt weiß niemand, was überhaupt passiert ist. Du kannst die Kassette mitnehmen und sie dir später in Ruhe ansehen, wenn du willst. Es sind noch ein paar weitere Berichte drauf. Sie haben praktisch den ganzen Tag nichts anderes gebracht. Aber so wie es aussieht, sind die Bullen ganz aus dem Häuschen. Und nicht nur sie. Die halbe Stadt steht Kopf. Bis jetzt ist es ihnen nicht gelungen, den Brand vollkommen zu löschen.« Sein Blick wurde lauernd. »Und sie haben eine Menge komischer Fragen gestellt.«
»Komische Fragen?«
»Über dich, deine Gewohnheiten, deine Freunde, was du so tust, wovon du lebst, mit wem du Umgang hast …« Er hob die Schultern, eine Bewegung, die klar machte, dass er auf diese Weise noch beliebig lang fortfahren konnte. »Du bist vielleicht nicht der Schlauste, Will, aber man muss schon komplett dämlich sein, um nicht zu begreifen, dass sie dich irgendwie mit dem Brand in Verbindung bringen.«
»Blödsinn!«, antwortete Will. »Was soll ich damit zu tun haben? Ich fackele doch nicht das Haus ab, in dem ich selber wohne!«
»Und schon gar nicht so«, fügte Georg
Weitere Kostenlose Bücher