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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sondern durch eine Mischung aus Brutalität, Gewissenlosigkeit und fast schon unverschämtem Glück. Aber zumindest in einem Punkt hatte er eindeutig die Wahrheit gesagt: Die achtzehn Stunden, die Will geschlafen hatte, hatten die Vorzeichen umgekehrt. Georg wusste eindeutig mehr über die ganze Angelegenheit als er.
    »Nimm die Kassette mit nach oben und schau sie dir an.« Georg wedelte ungeduldig mit der Fernbedienung in der Luft herum. »Ich lasse dir gleich was zu essen raufbringen und saubere Klamotten. Ich werde ein paar Leute anrufen und mich umhören, und vielleicht krieg ich ja das eine oder andere raus. Und du denkst einfach noch mal in Ruhe nach. Vielleicht fällt dir ja noch was ein, was uns weiterhilft.«

Kapitel 12
    Oben in seinem Zimmer angekommen, war Wills Unmut über diesen scheinbar so plötzlichen und vollkommen unmotivierten Rauswurf bereits wieder verraucht, und vor allem war es hier deutlich wärmer als in Georgs Büro, so dass er das Gefühl hatte, nach einem Besuch im Kühlschrank langsam wieder aufzutauen. Wenn ihm das kurze Gespräch mit Georg eines gezeigt hatte, dann, dass er vor allem erst einmal Zeit für sich selbst brauchte. Zeit, um seine Gedanken zu ordnen und sich über das eine oder andere klar zu werden. Georg hatte ihn weder aus reiner Menschenfreundlichkeit noch aus Freundschaft aufgenommen –beides waren Worte, die nicht zu seinem Vokabular gehörten. Dass er hier war und Georg die Polizei belogen hatte, um ihn zu schützen, hatte einen bestimmten Grund. Und auch wenn sich Will nicht vorstellen konnte, welchen, so war er doch ziemlich sicher, dass er ihm nicht gefallen würde.
    Erstaunlicherweise fühlte er sich müde, seine Glieder waren schwer, und hinter seiner Stirn hatte sich ein dumpfer Druck ausgebreitet, wie von einem langsam abklingenden Kater. Der Anblick des schäbigen, nach kaltem Schweiß und Sperma riechenden Bettes weckte den intensiven Wunsch in ihm, sich darauf auszustrecken, die Augen zu schließen und sofort wieder einzuschlafen. Und der einzige Grund, aus dem er diesem Drängen nicht nachgab, war vielleicht tatsächlich der Gedanke daran, was sich auf diesem schäbigen Möbelstück in den letzten Wochen und Monaten abgespielt haben mochte. Will war nicht prüde und war es nie gewesen; ganz im Gegenteil hatte er die Dienste von Georgs Mädchen schon oft und meist mit großem Vergnügen in Anspruch genommen (zumindest, wenn er es sich leisten konnte), aber jetzt, in diesem Moment, fühlte er sich von dem bloßen Gedanken plötzlich angewidert. Statt sich auf dem Bett auszustrecken und der bleiernen Schwere in seinen Gliedern nachzugeben, zog er sich den einzigen Stuhl heran, den es im Zimmer gab, und ließ sich auf dem unbequemen Sitzmöbel nieder, nachdem er den Fernseher eingeschaltet und die Kassette in den angeschlossenen Videorecorder eingelegt hatte. Ihm war nicht wirklich danach, sich die schrecklichen Bilder vom vergangenen Tag noch einmal anzusehen; er würde nichts sehen, was er nicht selbst direkter und ungleich erschreckender miterlebt hatte, zugleich aber hatten ihn Georgs Worte auch neugierig gemacht und – schlimmer noch – ein unbehagliches Gefühl in ihm geweckt, das vermutlich grundlos war, das er aber nicht loswerden würde, solange er sich das Band nicht zu Ende angesehen hatte.
    Eine Aufgabe, die sich als weitaus langwieriger und zeitraubender erwies, als er angenommen hatte. Das Drei-Stunden-Band war nahezu voll; offensichtlich hatte Georg alles aufgenommen, was sie gestern und auch in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages über die Brandkatastrophe gesendet hatten. Es war so, wie Will erwartete: Er erfuhr rein gar nichts Neues – aber zugleich beunruhigten ihn die hektisch wechselnden Bilder und vor allem die Kommentare in zunehmendem Maße. Die Moderatoren überboten sich in den wildesten Spekulationen, was die Ursache der Brandkatastrophe anging, und es verging nicht viel Zeit, bis alle möglichen – zum Teil selbst ernannten, zum Teil wirklichen – Fachleute auftraten, um noch mehr und noch wilder zu spekulieren. Die Zahl der angenommenen Todesopfer schwankte beständig, bis sie sich irgendwann im Laufe des Nachmittags wieder auf eine halbwegs realistische Schätzung eingependelt hatte, und natürlich wurden von der Möglichkeit eines schlichten Kabelbrandes bis hin zu einem Anschlag islamischer Terroristen alle nur denkbaren (und ein paar ganz und gar undenkbare) Ursachen für den Brand diskutiert. Vielleicht waren es

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