Feuer und Eis
ein Paar, seit Langem vertraut miteinander. Ein steifes Sie scheint mir da unangemessen. Bitte, nenn mich Xante. Und übrigens siehst du sehr gut aus.“
„Danke.“ Wie steif sie sich im Gegensatz zu ihm anhörte. Für ein Zehntel seines Selbstbewusstseins hätte sie einen Mord begangen. „Du auch.“ Ihre Worte klangen hölzern, ihr Lächeln wirkte gezwungen. Karin knipste ihre Tasche zu, trat aus dem Zimmer und marschierte auf den innen verspiegelten Lift zu.
Auch wenn es mehr eine Show für die anwesenden Gäste war, empfand sie tiefe Dankbarkeit, als Xante ihre Hand ergriff. Warm und stark schlossen sich seine Finger um ihre. Sie erwiderte den Druck.
„Du schaffst das schon.“ Gerade als die Türen des Aufzugs aufglitten, wandte er sich zu ihr um und lächelte. Es war dasselbe Lächeln, mit dem er sie bei ihrer ersten Begegnung begrüßt hatte, weder spöttisch, noch überlegen, nur aufrichtig erfreut.
Als sie aus dem Aufzug traten, mahnte Karin sich, nicht jetzt schon ihren dritten Wunsch zu verschwenden.
Xante Rossi war es zweifellos gewöhnt, mit den schönsten Frauen der Welt auszugehen. Hätte er ihre Vergangenheit gekannt, hätte er um ihre Gegenwart gewusst, er hätte ihr nie auch nur den kleinen Finger gereicht.
Es war überlebenswichtig, dass sie eine gewisse Distanz beibehielt.
Sie entzog ihm ihre Hand, richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Gäste und tat, was sie immer tat, wenn die Pflicht rief: Sie strahlte.
3. KAPITEL
Kurz vor sieben Uhr hegte Xante ernsthafte Zweifel, ob es eine gute Idee gewesen war, Karin als seine Begleiterin für das Dinner zu verpflichten.
Natürlich hatte er über sie recherchiert. Von den Leistungen ihres Großvaters wusste er. Der in Rugbykreisen legendäre Henry Wallis hatte einen Sohn, Georg, der Jura studiert und als Anwalt gearbeitet hatte. Nach der Traumhochzeit mit der Society-Schönheit Sophia folgten drei prächtige blonde Kinder. Sie waren das Thema Nummer eins in den Klatschzeitungen Londons. Sophia fungierte als prominente Gastgeberin unzähliger Wohltätigkeitsveranstaltungen und unterstützte schweigend die nichtexistente Karriere ihres Mannes – zumindest stellte es sich Xantes geschultem Blick so dar. Eine Einladung zu einer der berühmten Wallis-Partys glich, las er mit amüsiertem Lächeln, der Aufnahme in Londons gesellschaftliche Elite.
Doch jedes Märchen besaß auch eine dunkle Seite. Er stieß auf einen eher schlüpfrigen Artikel, auf den die Winkeladvokaten der Familie Wallis gleich mit einer Unterlassungsklage wegen Verleumdung reagierten. Schulden oder Alkoholprobleme wurden aufs Schärfste dementiert. Nichtsdestotrotz hatte die bislang makellose Fassade der Wallis’ einen Kratzer bekommen.
Zwei Jahre später jedoch war alles vergeben und vergessen, als George und Sophia bei einem dubiosen Bootsunfall ums Leben kamen. Vor allem den einzigen Sohn Matthew hatte der Verlust seiner Eltern hart getroffen, weshalb die Presse ihm seinen unrühmlichen Lebenswandel nachsah. Karin, so schien es, bekämpfte ihre Trauer mit langen Reisen. Die Jüngste der Geschwister Wallis besuchte ein exklusives Internat.
Einmal hatten sich sogar seine und die Lebenslinien der Familie gekreuzt. Das Boot, in dem die Eltern verunglückt waren, gehörte einer seiner Gesellschaften. Es kostete ihn weniger als fünf Minuten die Unterlagen von damals zu finden. Nach dem Unfall hatte die Versicherungsgesellschaft eine Überprüfung des Bootes angeordnet. Daraufhin hatte sein Anwalt Einsicht in den Polizeibericht verlangt, in dem ein paar sehr pikante Details erwähnt wurden. Der Alkoholspiegel im Blut der Verstorbenen war so hoch, dass sie kaum noch hätten gehen können.
Wenn er nun, wie er es immer tat, zwischen den Zeilen las, ergab Karins Verhalten von heute Morgen durchaus einen Sinn. Die gesamte Familie zehrte vom Ruhm des Großvaters. Sie hatten von einem Vermögen profitiert, das nun endgültig verpufft war. Kein Wunder, dass Karin nach mehr gierte.
Als Xante an die Tür der Suite klopfte, hatte er nur einen Wunsch: den Abend hinter sich bringen und Karin Wallis so schnell wie möglich für immer zu vergessen.
Dann sah er sie … und jede Vernunft war dahin.
Roter Samt umschmeichelte ihren schlanken Körper. Sie trug keinen Schmuck, nur zwei kleine Diamantstecker funkelten an ihren Ohrläppchen – mehr brauchte sie nicht. Die langen blonden Haare waren zu einer eleganten Frisur geschlungen, die in ihm den Wunsch weckte, jede Nadel hinauszuziehen, bis
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