Feuer und Eis
Vermögens kümmerten.
„Deine Eltern müssen sehr stolz auf dich sein.“ Nun war es Karin, die eine persönliche Grenze überschritt.
„Mein Vater ist gestorben, als ich neun war. Bei einem Bootsunfall.“
„Meiner auch“, entgegnete sie. „Es ist noch nicht so lange her, aber meine Eltern sind auch bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen.“
Nein! Xante musste sich zusammenreißen, um es nicht laut herauszuschreien. Sein Vater war bei der Arbeit gestorben. Sein Vater war nüchtern. Sein Vater war gestorben, weil sein Chef ihn in einem schlecht gewarteten Fischerbötchen aufs Meer geschickt hatte. Der Unfall war mit dem von Karins Eltern überhaupt nicht zu vergleichen. Doch statt all das zu sagen, nickte er bloß.
„Was ist mit deiner Mutter?“
„Es gibt nur eine Sache, die meine Mutter wirklich stolz machen würde. Sie ist ungefähr so groß.“ Er hielt seine Hände fünfzig Zentimeter auseinander. Sein Lächeln war so mitreißend, dass Karin es unwillkürlich erwiderte. „Es macht jede Menge Krach und riecht nicht immer gut. Nächste Woche fliege ich zu einer Taufe nach Hause. Mein Cousin Stellios, mein bester Freund, hat gerade eins bekommen.“
„Ein lautes stinkendes Ding?“, fragte Karin nach. Xante nickte.
„Also verbringe ich das Wochenende damit, mich ständig daran erinnern zu lassen, ein nettes griechisches Mädchen zu heiraten und einen ganzen Stall voller Kinder zeugen zu sollen, anstatt meine Zeit mit solchem Unsinn wie Sport oder Arbeit zu vergeuden.“
„Hast du Geschwister?“
„Nein, eben nicht.“ Xante verdrehte die Augen.
„Oje!“ Wieder lächelte sie. Allmählich fing der Abend an, ihr wirklich Spaß zu machen. Xante Rossi sah nicht nur atemberaubend gut aus, sondern besaß auch einen trockenen Sinn für Humor, der ihr sehr gefiel. „Na, dann viel Glück.“
Da lag etwas auf seiner Zungenspitze, ganz vorne, der absurde Vorschlag, sie könne ihn begleiten. In letzter Sekunde retteten ihn die Formalitäten des Dinners. Der Gastgeber der Wohltätigkeitsveranstaltung trat nach vorne, und Xante stieß erleichtert den angehaltenen Atem aus.
Seit der Trennung von Athena hatte er keine Frau mehr mit auf die Insel gebracht. Und wenn er nun plötzlich damit anfing, würde seine Familie wer weiß was von ihm erwarten. Ihm musste ein Moment geistiger Umnachtung widerfahren sein, erklärte Xante sich seinen bizarren Wunsch. Karin Wallis mochte wie eine Lady aussehen, aber unter ihrem Kleid verbarg sich ein aufgeschürftes Knie, die unmittelbare Folge, wenn nicht gar Strafe für ihren Diebstahl. Gerade beugte sie sich zu ihm hinüber, um ihm irgendeine Beobachtung über die Gäste mitzuteilen, und er atmete ihr Parfüm ein. Eine vorwitzige blonde Haarsträhne kitzelte ihn an der Wange. Die sinnlichen Eindrücke nahmen ihn so gefangen, er musste Karin bitten, die Worte zu wiederholen.
Die Reden der verschiedenen Sponsoren schienen sich endlos hinzuziehen, aber weder Karin noch Xante machte das etwas aus. Friedlich saßen sie nebeneinander, hörten zu, hin und wieder wechselten sie ein Wort. Nach außen wirkten sie wie ein harmonisches Paar.
Doch gerade als Karin anfing, sich tatsächlich zu entspannen, begann der Höhepunkt des Abend: die Versteigerung. Einfach alles schien unter den Hammer zu kommen, von einem Urlaub in der Karibik bis zur Weihnachtskugel von Tiffany’s, die Xante für einen grotesken Preis für ein Enkelkind ersteigerte. Angesichts dieser ungenierten Zurschaustellung von Reichtum empfand Karin nur Abscheu – vielleicht weil ihr das gedankenlose Ausgeben von Unsummen nur allzu vertraut war.
Dann jedoch bat der Auktionator sein Publikum um Ruhe. Im Vergleich zu dem, was nun folgte, waren die bisherigen Objekte Kinkerlitzchen. Eine Gruppe von zwanzig Leuten durfte eine Woche lang mit der englischen Rugbynationalmannschaft in Twickenham trainieren, inklusive uneingeschränktem Zugang zu den Trainern, Betreuern und Masseuren. Der Direktor eines Jungeninternats gab das erste Gebot ab. Dann griff das Fieber um sich. Wie im Rausch lieferten die Anwesenden sich einen Bieterwettstreit. Dahinter verbarg sich mehr, als diese Trophäe zu besitzen. Karin war entsetzt.
Alles erinnerte sie schmerzlich an ihre Eltern, an Matthew, die das Geld mit vollen Händen zum Fenster für Dinge hinauswarfen, die sie weder brauchten, noch wirklich wollten – nur weil sie die finanziellen Möglichkeiten besaßen.
Und als Xante die Auktion schließlich für sich entschied, als
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