Feuer und Eis
Frauen, die es kaum erwarten konnten, ihm heute Abend bei der Wohltätigkeitsveranstaltung Gesellschaft zu leisten. Plötzlich jedoch empfand er es als angemessen, sich von Henry Wallis’ Enkelin begleiten zu lassen. Und das hatte nichts mit dem anerkennenden Blick zu tun, mit dem der Kapitän der englischen Mannschaft sie gemustert hatte, als er erfuhr, wer sie war!
„Heute Abend findet ein Charitydinner statt.“ Fasziniert beobachtete Xante, wie sie die Stirn runzelte – ein seltener Anblick in den Zeiten von Botox. „In Anbetracht der Umstände, dass ich Sie vorhin in aller Öffentlichkeit Liebling genannt habe, steht uns nur eine Option offen.“
„Sie möchten, dass ich Sie zu dem Dinner begleite? Warum sollten Sie das wollen? Ich habe versucht, Sie zu bestehlen …“
„Sie müssten schon sehr dumm sein, es ein zweites Mal zu versuchen. Doch Sie lassen mir keine andere Wahl. Es kommt nicht infrage, dass ich alleine gehe. Und nach Ihrem Auftritt denken nun alle, wir sind ein Paar.“
„Es handelt sich wirklich nur um ein Dinner?“, erkundigte sie sich.
„Gleich werden Sie sich zweifellos frisch machen, um den Schlamm aus Ihrem Gesicht zu waschen.“ Xante lächelte spöttisch. „Und während Sie das tun, überdenken Sie bitte Ihre Frage. Ich kann Ihnen versichern, dass ich lediglich das Dinner im Sinn habe.“
„Gut. Dann fahre ich nach Hause und ziehe mich um.“
Tadelnd schüttelte er den Kopf. „Verzeihen Sie mir, falls ich ein wenig misstrauisch wirke, aber ich halte es für das Beste, wenn Sie sich hier zurechtmachen.“
„Ich bin nicht gerade passend für ein Wohltätigkeitsdinner angezogen.“
„Im Erdgeschoss des Hotels befindet sich ein Kosmetiksalon. Ich sorge dafür, dass Ihnen aus der Boutique einige Kleider zur Verfügung gestellt werden.“ Auf ihre hochgezogene Augenbraue reagierte er mit einem schmallippigen Lächeln. „Kommen Sie, ich bringe Sie in meine Suite.“ Er musste bemerkt haben, wie sie sich verspannte, denn er beantwortete ihre unausgesprochene Frage. „Ich werde hier im Büro duschen. Um sieben hole ich Sie ab.“
Er führte sie in eine überaus geräumige Luxussuite. Einer der Vorteile, in einem Fünf-Sterne-Hotel zu wohnen, ist, dachte Karin, dass man immer auf unerwartete Gäste vorbereitet ist. Ihre Füße versanken geradezu in dem dicken weichen Teppich. Die Möbel waren aus Edelhölzern gefertigt. Sie war es durchaus gewohnt, von schönen Dingen umgeben zu sein und hätte nicht so beeindruckt zu sein müssen. Doch die glänzenden Oberflächen erinnerten sie nur daran, was ihrem Zuhause fehlte. Diese Möbel wurden liebevoll gepflegt. Auf den Vorhängen lag bestimmt keine Staubschicht.
„Ich rufe in der Boutique an. Falls Sie nichts dagegen haben, machen Sie den Termin im Salon bitte selbst aus.“
„Bekomme ich denn jetzt noch einen?“ Karin blickte auf ihre Uhr. Vier Uhr an einem Freitagnachmittag war nicht unbedingt der Zeitpunkt, um ausgiebige Friseurtermine zu buchen.
„Sie rufen von meiner Suite aus an“, entgegnete Xante. „Nichts sollte ein Problem sein.“
Und dann ließ er sie allein.
Fast erwartete Karin, an der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte, eine kleine Rauchwolke zu erblicken. Die ganze Situation kam ihr so unwirklich wie ein Märchen vor. Wenn sie doch nur drei Wünsche besäße!
Nun, die Nacht nicht im Gefängnis verbringen zu müssen, zählt wahrscheinlich bereits als Wunsch Nummer eins, ging es ihr durch den Kopf, als sie im Salon anrief. In einer Stunde, so sagte man ihr, würde jemand für sie frei sein.
Kurz darauf klopfte ein junger Mann an der Tür und überreichte ihr eine Auswahl schicker Kleider. Der Reihe nach probierte Karin sie im Badezimmer an und entschied sich schließlich für ein exklusives Abendkleid aus rotem Samt, das ihren Körper wie eine zweite Haut umschmeichelte.
Nachdem im Kosmetiksalon ihr Haar perfekt gestylt worden war, ihr Gesicht mit feinen Cremes verwöhnt und anschließend geschminkt wurde, ihre Fingernägel manikürt und lackiert waren, akzeptierte sie, dass ihr nach Jahren der Genügsamkeit gerade ein zweiter Wunsch erfüllt worden war.
Zurück in der Suite musterte sie sich fassungslos im Badezimmerspiegel. Sie erkannte sich kaum wieder. Bücher hatten sie immer mehr interessiert als Make-up. Und ihren Kleidungsstil konnte man bestenfalls konservativ nennen. Aus gutem Grund.
Aber heute Abend würde sie viele Blicke auf sich ziehen. In mancherlei Hinsicht hatte sie das
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