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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wolltest du mich noch unbedingt wegschicken, und heute folgst du mir auf Schritt und Tritt. Was wird als Nächstes kommen?«
    »Du hast von der bevorstehenden Schlacht gehört?«, fragte er in ihren Rücken hinein.
    »Wie jeder in der Stadt! Alle haben Angst, jemanden zu verlieren, den sie lieben, und den Ausgang kann niemand vorhersagen. Sollte Venedig geschlagen werden …«
    Erneut überfielen Milla Bruchstücke ihres Traums. All die zerstörten Häuser. Der entsetzliche süßliche Leichengestank aus den Kanälen. Das Gefühl überwältigender Einsamkeit.
    Unwillkürlich war sie langsamer geworden.
    Luca hatte zu ihr aufgeschlossen.
    »Solange der Pakt bestand, war Venedig unbesiegbar«, sagte er. »Doch diese Zeiten sind vorbei. Jetzt sind die Feinde in der Überzahl. Unsere Stadt wird bluten.«
    Milla wollte etwas entgegnen, der Anblick der Piazza jedoch, die sich vor ihnen öffnete, hielt sie davon ab. Nach dem Dunkel der engen Gassen empfand sie deren Weite als Befreiung. Scharen grauer Tauben stiegen vor ihnen in den Himmel, als sie auf die Basilika an der Ostseite zuliefen. Im ersten Morgenrot zeigte sich die steinerne Fassade von San Marco in all ihrer Pracht. Marmor, Serpentin und Alabaster wurden von der vergoldeten Quadriga überstrahlt, die eigentlich aus Rom stammte und später über Byzanz nach Venedig gekommen war. Das Vierergespann der Pferde hob die Hufe wie im schnellen Trab – so kraftvoll und lebendig, als wollten sie im nächsten Augenblick davonstürmen.
    Vor dem Hauptportal hatte man einen Blütenteppich ausgelegt, doch die hohen Fahnenstangen waren nackt geblieben. An keiner flatterte die Fahne des Löwen im Wind, wie sonst an hohen Festtagen.
    Luca war Millas Blick nicht entgangen.
    »Sie haben alles abgesagt, was für gewöhnlich zu Ehren des Heiligen stattfindet«, sagte er. »Die große Punkprozession ebenso wie die Wettfahrt der Gondeln. Bläser und Fiedler wurden verboten; keiner der Händler durfte auf der Piazetta einen Stand aufstellen, um Süßigkeiten oder Nüsse zu verkaufen. Voll wird es dennoch bald werden. Es gibt Gerüchte, dass der Doge gegen Mittag eine Ansprache an das Volk halten soll.«
    »Was machen wir hier eigentlich?«, flüsterte Milla, die weiter zu den abgetretenen Stufen gelaufen war, die zur Basilika hinunterführten. Schon im Vorraum roch es betäubend nach Weihrauch, was ihr aus den Kirchen von Murano vertraut war, doch der bittere Atem des Feuers, dort untrennbar damit verbunden, fehlte. Trotzdem war es für sie, als käme sie nach Hause.
    Wie hatte sie nur vergessen können, wohin sie gehörte?
    Soeben hatte sie das geweihte Haus jenes Heiligen betreten, unter dessen Schutz sie stand, solange sie denken konnte. Natürlich hütete der Heilige ganz Venedig – und dennoch hatten sich die Feuerleute seit je als besonders begünstigt von San Marco gefühlt.
    »Lass mich allein!«, verlangte sie, innerlich bereits auf Lucas Protest gefasst. »Mein Vater wollte, dass ich die Gondel finde. Seinem Auftrag fühle ich mich verpflichtet, sonst nichts.«
    Zu ihrer Überraschung kamen keinerlei Widerworte – Luca machte schweigend kehrt.
    War er tatsächlich hinausgegangen?
    Milla blieb keine Zeit, sich davon zu überzeugen, so sehr drängte es sie voran. Wie schon in ihrem nächtlichen Traum lief sie nun durch das riesige Kirchenschiff. Ihre Augen glitten über Skulpturen und Altäre. Wie sollte sie inmitten all dieser Kostbarkeiten die gläserne Gondel finden, von der so vieles abhing? Wochen und Monate hätte sie hier zubringen können und doch noch immer etwas Neues entdecken!
    Als sie schließlich am Marienaltar unter der Nordkuppel angelangt war, spürte sie einen Anflug von Erleichterung. Die byzantinische Ikone der Gottesmutter mit dem Jesuskind, umrahmt von goldenen Emailleblättchen, auf denen das Leben von Heiligen dargestellt war, blickte mit ruhiger Miene auf sie herab. Vor allem Frauen kamen zu ihr, wie Milla von Ysa wusste, um für die Erfüllung ihrer geheimsten Wünsche zu beten.
    Ein Traum hatte sie hierher geführt. Aber wie sollte es nun weitergehen?
    »Siehst du das Reliquiar direkt über dir auf dem Altar?«, hörte sie jemanden sagen. »Es ist wie ein Fuß geformt, denn der Legende nach birgt es einen Fuß von San Teodoro.«
    »Du bist mir gefolgt?« Milla fuhr zu Luca herum, der auf einmal direkt hinter ihr stand. Sie hatte ihn nicht gehört. Zu tief war sie in ihren Gedanken versunken gewesen. »Dazu hattest du kein Recht!«
    »Ich glaube, das

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