Feuer und Glas - Der Pakt
sollte sie das in Worte fassen?
Sie wusste ja selbst nicht, ob es nur ein Albtraum oder eine Vision gewesen war!
»Nein«, sagte sie. »Wie kommst du darauf?«
»Hast du das Feuer gelegt?«, fragte Luca weiter. »Sei ehrlich!«
»Hast du jetzt endgültig den Versand verloren? Nein und abermals nein! Der Herd war kalt …«
»Das meine ich nicht«, unterbrach er sie. »Dazu brauchst du keine mühsam gehütete Glut, so wie andere. Ich sehe dein Licht, Milla! Von Augenblick zu Augenblick leuchtet es heller. Es könnte einfach so geschehen sein. Aus dir heraus.«
»Was willst du von mir?«, flüsterte sie.
»Sieh mich an!«, verlangte Luca. »Wer bist du?«
Zuerst geschah nichts.
Dann jedoch war es, als breche etwas in ihr auf, das tief unter einer festen Kruste geruht hatte. Da war ein Leuchten und Flackern, Züngeln und Lodern, das Knacken von Holz, das Bersten von Stein. Die Widerborstigkeit, nie wieder zu verlöschen. Der Hunger auf mehr und noch mehr. Rasendes, das keinen Einhalt mehr kannte.
Millas Herz brannte, aber auch ihre Haut war heiß geworden. Von Kopf bis Fuß schien sie in Flammen zu stehen, innerlich wie äußerlich.
Sie leuchtete, sie glühte, sie loderte.
Würde sie nun auch zu Asche werden wie Gondeln, Häuser und Brücken?
Und plötzlich begriff Milla.
Es war ein Teil von ihr, untrennbar mit ihr verbunden. Nichts, wogegen sie sich wehren musste oder auch nur konnte.
Ihr tiefstes Geheimnis. Das Erbe ihres Vaters.
Genau das hatte er ihr zeigen wollen.
Sie machte einen Schritt auf Luca zu, um den es tiefblau schimmerte.
»Ich bin Feuer!«, rief sie.
Er nickte und schenkte ihr ein kurzes Lächeln.
Dann hob er langsam die Arme. Das Blau schien von ihm zu ihr zu fließen, hüllte sie ein, dämpfte die Hitze. Wie ein sanfter Regen fühlte es sich an, ein sanfter Regen, der nach einem glutheißen Tag Erleichterung bringt.
Sie strich sich die Locken aus der Stirn, fühlte sich plötzlich ganz schwerelos.
Lucas Gesicht war offen und weich.
Worte waren auf einmal unbedeutend, und dennoch musste sie ihm etwas sagen.
»Ich will nicht in die Wohnung, um irgendwelchen Krimskrams zu holen«, flüsterte Milla. »Es geht um den Brief meines Vaters. Dort kann er nicht bleiben!«
»Ich weiß«, sagte Luca.
»Aber woher …«
»Ich kann dich hören, auch wenn du schweigst.«
Marcos Vorahnung hätte nicht düsterer sein können, als der Admiral ihn zu der Halle bestellte, in der das Schwarzpulver gelagert war. Er hatte sich beeilt, um den Alten nicht zornig zu stimmen, doch der Weg durch das riesige Areal schien heute kein Ende nehmen zu wollen. Immer wieder hielten ihn aufgeregte Arsenalotti auf, erzählten von ausgebrannten Häusern, von Nachbarn, die den Tod gefunden hatten. Von Opfern innerhalb der eigenen Familie.
Marco schwitzte, als er die Halle erreicht hatte, und die Miene des Admirals verhieß nicht Gutes. Anstatt den Schlüssel hervorzukramen und das Schloss aufzusperren, stützte er sich schwer auf seinen Stock und begann, um das Gebäude herumzuhumpeln.
Vor dem hinteren Eingang hielt er inne.
»Und?«, fragte er. »Was siehst du?«
Ein elendes Holztor, hätte Marco am liebsten geschrien. Hinter dem die Auswüchse deiner höllischen Fantasie lauern!
Stattdessen zuckte er mürrisch die Achseln.
»Schau genauer hin!«, forderte der Admiral. »Dafür bezahle ich dich.«
Als Marco unschlüssig stehen blieb, schlug er ihm mit dem Stock gegen die Beine.
Der Schmerz war scharf und trieb ihm das Wasser in die Augen.
»Auf die Knie! Dann wird deine Blindheit hoffentlich verschwinden.«
Widerwillig kniete sich Marco auf den schmutzigen Boden – und jetzt erkannte er, was der Alte meinte. Da waren Spuren am Holz, Splitter, Risse, als ob jemand es mit einem Eisen von unten aufgestemmt hätte. Keine breite Lücke, aber durchaus ausreichend, um sich hindurchzuquetschen, wenn man sich ganz flach machte!
»Jemand muss …«
»Jemand hat!«, schrie der Admiral und schloss auf. »Hinein mit dir, Bellino!«
Drinnen schien alles unverändert. Sie gingen von Kiste zu Kiste, öffneten sie stichprobenartig, wobei der Alte Marco den Vortritt überließ, sich jedoch wie ein Nachtmahr an seinen Rücken heftete, um ja nichts zu verpassen. Sie schauten hinein, benutzten sogar einen Stab, um den Stand des Pulvers zu überprüfen, aber sie vermochten nichts Außergewöhnliches festzustellen.
»Und wenn Ihr Euch doch getäuscht habt?«, fragte Marco. »Das Tor ist uralt. Die Spuren könnten ebenso
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