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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gehorchten. Eine schmale, längliche Form war entstanden.
    »Zurück damit in den Ofen!«
    Milla übergab das Schiffchen erneut der Hitze. Für sie war es kaum länger als ein Augenblick, bis abermals Domenicos Aufforderung erklang.
    »Heraus damit – noch einmal auf die Pfeife, aber ganz vorsichtig!«
    Millas Hände flogen. Ihre Kehle war staubtrocken, doch zum Trinken hatte sie jetzt keine Zeit.
    Die Gondel wurde länger, lichter, zarter.
    »Formen – sonst ist es zu spät!«, rief Domenico.
    Die Gondel erhielt Bug und Heck, detailgetreues Abbild ihrer großen hölzernen Schwestern.
    Zuletzt brachte er eine winzige Forcula an, die Gabel für das Ruder, die nicht fehlen durfte, als wollte auch er seinen Teil zu diesem Werk beitragen. Alles schien perfekt.
    Aber sah die Gondel auch wirklich so aus wie ihr verschwundenes Vorbild?
    Milla strengte sich an, sich bis ins kleinste Detail zu erinnern. Dabei kam ihr Gesicht dem Artefakt, das sie soeben erschaffen hatte, ganz nah.
    Ja, sie konnte zufrieden sein!
    Auch Domenico, der ähnlich beherzt herangerückt war, um sich zu vergewissern, schien dieser Ansicht zu sein, denn sein Lächeln wirkte erleichtert.
    »Nun schieb sie in den Kühlofen«, sagte er.
    Milla gehorchte, während er das Loch zwischen Schmelzraum und Kühlofen mit einem dicken Stein verschloss.
    »Wie lange muss sie da bleiben?«, fragte sie.
    »Bis es hell geworden ist. Mindestens aber ein paar Stunden. Hast du das schon vergessen?«
    »Das dauert zu lange! Ich muss so schnell wie möglich nach Venedig zurück, sonst fangen sie womöglich damit an, Ysa zu verstümmeln.«
    Domenico furchte die Stirn.
    »Glas kann brechen, wenn man seine Seele mit zu viel Kälte quält. Eine Gondel mit Rissen würde dir wenig nützen. Und hattest du nicht vorhin erwähnt, dass der Admiral dir eine Frist bis zum Mittagsläuten eingeräumt hat?«
    Sie konnte ihm nicht sagen, dass Luca sie nach Murano gerudert hatte und im sandolo ungeduldig auf ihre Rückkehr wartete! Sobald es dämmerte, würden die ersten Fischer mit ihren Booten die Lagune bevölkern.
    Sie könnten entdeckt werden …
    »Man kann dem Admiral nicht trauen«, sagte sie. »Vereinbarungen scheinen für ihn eine sehr einseitige Angelegenheit zu sein. Deshalb will ich unbedingt früher da sein.«
    »Ich verstehe das. Aber ruh dich trotzdem ein Weilchen aus«, sagte Domenico. »Ich bewache den Kühlofen und werde dich aufwecken, sobald die Gondel hart genug für die Reise nach Venedig geworden ist.«
    Sein Angebot war zu verlockend, um es auszuschlagen. Plötzlich spürte Milla, wie müde sie war, und gähnte herzhaft. Wie sie es als Kind schon unzählige Male zuvor getan hatte, legte sich Milla auf eine der Holzbänke. Zuerst kam ihr der Untergrund so hart vor wie blankes Metall, dann aber fielen ihr doch die Augen zu.
    Sie spürt Sand unter sich, doch er ist nicht weich, sondern hart, wie von winzigen Glasstücken durchsetzt.
    Alles ist weiß, gleißend hell.
    Sie steht auf, macht ein paar Schritte, bleibt erschrocken stehen.
    Flammen, die zum Himmel schlagen. Eine Feuerwand!
    Doch was dahinter liegt, ängstigt sie um vieles mehr: ein dunkler See mit hohen, windgepeitschten Wellen. Nur wer ihn durchquert, kann zum Ziel gelangen.
    Einer muss sterben, damit der andere leben kann …
    Trägt der Wind ihr diese Worte zu?
    Sie hält die Gondel in der Hand, schimmernd, funkelnd, makellos – und so zerbrechlich.
    Dann kitzelt ihre Wade etwas Weiches.
    Der Kater?
    Aber sie haben Puntino doch gar nicht mit nach Murano genommen …
    Milla fuhr auf.
    Die dicke schwarzweiße Katze, die sich in ihre Kniekehle geschmiegt hatte, sprang auf und war mit einem Satz aus der Tür.
    Immer noch leicht benommen, starrte sie ihr nach.
    »Erkennst du sie nicht wieder?«, hörte sie Domenico sagen. »Bella hat schon deinen Schlaf bewacht, als du noch ein Kind warst. Heute schnurrt sie jede Nacht in Cecis Bett.«
    In seinen großen Händen lag die gläserne Gondel.
    »Wie schön sie ist«, flüsterte Milla. »Auch ohne Ruder! Aber wird sie auch so glitzern, dass der Admiral mir glaubt?«
    »Komm mit und überzeug dich selbst!«
    Sie folgte ihm zu einem Kerzenständer, auf dem drei weiße Wachskerzen brannten. Als Domenico die Gondel davorhielt, schimmerten alle Farben des Regenbogens auf.
    »Er wird dir glauben«, sagte Domenico. »Schließlich ist sie aus dem Sand Ondanas gemacht.«
    »Aber nicht von den Händen des Feuerkopfs«, sagte Milla. »Mein Vater hat sie nicht

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