Feuer und Glas - Der Pakt
strengte sich an, in seinen Zügen zu lesen. Damals im Garten schien er Federico und Paolo befehligt zu haben. Stand er ebenfalls in Diensten des Alten?
Doch selbst wenn – sie musste es einfach riskieren!
»Der Admiral hat Ysa entführen lassen, weil er mich zwingen will, ihm die gläserne Gondel auszuhändigen«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, wo sie ist. Das kann ich beschwören.«
»Leandro hat sie dir nicht hinterlassen?« Seine großen dunklen Augen lagen prüfend auf ihr.
Unwillkürlich berührte Milla ihr Bein. Den Brief in der Rocktasche zu spüren, verlieh ihr neue Kraft.
»Es gab eine Vermutung«, räumte sie ein. »Der bin ich gefolgt und fündig geworden. Doch in dem Versteck befand sich lediglich das Ruder – und das hat der Admiral mir abgenommen.«
»Der Admiral ist im Besitz des Ruders?«, fragte Domenico.
»Ja, doch damit gibt er sich nicht zufrieden. Er wird Ysa töten lassen, wenn ich ihm bis zum Mittagsläuten nicht auch noch die ganze Gondel bringe. Und er meint es verdammt ernst.« In ihren Augen standen plötzlich Tränen. »Ysas Feuerlocken hat er schon abschneiden lassen. Das Nächste, was an die Reihe kommen soll, ist einer ihrer Finger oder ein Ohr. Doch damit nicht genug. Er hat vor, sie verstümmeln zu lassen. Tag für Tag wird sie etwas ›verlieren‹, so hat er es ausgedrückt, solange bis …«
Domenico gab einen seltsamen Laut von sich.
»Auf seinen Befehl hin haben wir mehrmals ganz Murano nach der Gondel umgegraben«, sagte er. »Sie sollte zurück in den Besitz der Feuerleute gelangen, was mir nur logisch erschien. Deshalb war ich auch bereit, dieses Vorhaben nach Kräften zu unterstützen. Doch was mag mittlerweile in ihn gefahren sein? Mit solchen Drohungen geht er entschieden zu weit. Er darf Ysa nichts antun. Sie ist doch eine von uns – und Leandros einzige Schwester!«
»Was ist das Geheimnis der Gondel?« Milla wischte sich die Tränen weg. »Du hast so eng mit meinem Vater zusammengearbeitet. Hat er dir denn niemals etwas darüber erzählt?«
»Keiner, der jemals auf Ondana war, redet darüber.« Da war er wieder, jener Name, den sie bereits im Arsenal gehört hatte! »Es scheint eine Art Eid zu sein, der sie alle verbindet. Und dein Vater würde niemals einen Eid brechen.«
»Du weißt also nichts?« Millas Enttäuschung war grenzenlos.
»Nicht mehr als das, was hinter vorgehaltener Hand erzählt wird. Nur wer im Besitz der gläsernen Gondel ist, kann Ondana betreten. Dort gibt es ungewöhnlichen Sand, der Glas …«
»… in den Farben des Regenbogens schimmern lässt, obwohl es durchsichtig ist«, unterbrach ihn Milla. »Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, als ich das Ruder gegen die Sonne gehalten habe.« Sie atmete tief aus. »Genau so eine Gondel werde ich erschaffen. Sonst muss Ysa sterben.«
»Aber das ist unmöglich!« Domenico begann mit großen Schritten auf und ab zu gehen. »Das weißt du.«
»Und dennoch muss ich es versuchen. Gibt es denn kein Mittel, um ein ähnliches Schimmern zu erzeugen? Du weißt doch so viel über Glas. Denk nach, Domenico!«
Wortlos stapfte er hinaus.
Mit wachsender Verzweiflung sah sich Milla in der Hütte um. Alles, was sie zum Glasblasen brauchte, war vorhanden. Doch was nützte das, wenn sie ihn nun in die Flucht geschlagen hatte?
Sie spürte einen Luftzug, dann war Domenico wieder zurück. In der Hand hielt er einen abgewetzten Lederbeutel, den er öffnete.
Dann rieselte ein Strahl hellen Sands auf einen der Tische.
»Ein Rest aus Ondana«, sagte er. »Leandro hat ihn mir zur treuen Verwahrung anvertraut. Für das, was du vorhast, müsste es ausreichen. Aber ich warne dich: Über Jahrhunderte hat die gläserne Gondel den Pakt zwischen Wasser und Feuer bekräftigt und immer wieder erneuert. Sie nachzubilden, wäre mehr als ein Sakrileg – etwas, das schwer auf dich zurückfallen könnte.«
»Habe ich denn eine andere Wahl? Ich bin Leandros Tochter, Ysa ist meine Tante. Du weißt, wie sehr er seine Schwester liebt. Und ich tue es auch. Ein Aufschub, Domenico. Damit Ysa frei kommt. Mehr will ich ja gar nicht!«
Noch immer schien er zögern.
»Du hast selbst ein kleines Mädchen«, setzte Milla hinzu. »Und schon bald wird euch noch ein zweites Kind geboren werden. Lass mich an den Ofen. Hilf mir dabei. Tu es für Ceci und das Ungeborene!«
Diese Worte schienen ihn erreicht zu haben. Domenicos Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
»Du hast genau den gleichen Sturkopf wie er«, sagte er. »Und
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