Feuer Und Stein
»Komm herein; hier schaut der Boden nicht gar so schlimm aus.«
Jamie erstarrte.
»Ich soll in deiner Kammer schlafen?« Es klang wirklich schokkiert. »Das kann ich nicht tun! Dann wäre dein guter Ruf dahin!«
Er meinte es ernst. Ich begann zu lachen, wandelte es jedoch taktvoll in einen Hustenanfall um. Aufgrund der Strapazen, der überfüllten Gasthöfe und der Primitivität der sanitären Einrichtungen war ich derart vertraut mit diesen Männern, Jamie eingeschlossen, daß ich diese Prüderie nur noch komisch fand.
Als ich mich ein wenig erholt hatte, sagte ich: »Du hast schon mit mir im selben Raum geschlafen. Du und noch zwanzig andere Männer.«
Jamie geriet ins Stottern. »Das … das ist etwas anderes! Es war eine Gaststube, und …« Er hielt inne; ein furchtbarer Gedanke schien ihm gekommen zu sein. »Du hast doch hoffentlich nicht gedacht, ich glaube, daß du etwas Ungehöriges vorschlägst?« fragte er besorgt. »Ich versichere dir, ich-«
»Nein, nein. Überhaupt nicht.« Ich beeilte mich, Jamie klarzumachen, daß ich nicht gekränkt war.
Da er sich nicht überreden lassen wollte, bestand ich darauf, daß er wenigstens die Decken von meinem Bett nehmen müsse, um sie unter sich zu breiten. Dem stimmte er widerwillig zu; freilich erst, als ich ihm versichert hatte, ich würde sie auf keinen Fall selbst benutzen, sondern hätte wie üblich die Absicht, unter meinem Reiseumhang zu schlafen.
Bevor ich in meine Kammer zurückkehrte, bedankte ich mich nochmals bei ihm, aber er winkte großmütig ab.
»Es ist nicht nur selbstlose Freundlichkeit«, bemerkte er. »Auch ich möchte keine Aufmerksamkeit auf mich lenken.«
Ich hatte vergessen, daß Jamie ebenfalls Gründe hatte, englischen Soldaten aus dem Weg zu gehen. Das hätte er allerdings sehr viel besser und weitaus bequemer erreichen können, wenn er statt vor meiner Tür im warmen Stall geschlafen hätte.
»Aber wenn jemand heraufkommt, wird er dich finden«, gab ich zu bedenken.
Jamie streckte seinen langen Arm aus und zog den Fensterladen zu. Auf dem Flur wurde es stockdunkel.
»Sie werden mein Gesicht nicht sehen«, widersprach er. »Und in der Verfassung, in der sie sind, bedeutet ihnen auch mein Name nichts, selbst wenn ich ihnen den richtigen nennen würde - was ich natürlich nicht vorhabe.«
»Sicher«, sagte ich. »Aber werden sie sich nicht fragen, was du hier oben im Dunkeln tust?« Ich konnte Jamies Gesicht nicht erkennen, doch der Ton seiner Stimme verriet mir, daß er lächelte.
»Nein, Sassenach. Sie werden nur denken, daß ich warte, bis ich an der Reihe bin.«
Ich ging lachend in meine Kammer. Dann legte ich mich hin und wunderte mich über diesen Menschen, der so zotige Scherze machte, während er gleichzeitig vor dem bloßen Gedanken zurückschreckte, mit mir im selben Raum zu schlafen.
Als ich erwachte, war Jamie fort. Ich ging zum Frühstück nach unten und traf am Fuß der Treppe auf Dougal, der mich bereits erwartete.
»Essen Sie schnell, Mädchen«, sagte er. »Wir reiten nach Brockton, Sie und ich.«
Mehr wollte er nicht sagen, aber er wirkte ein bißchen nervös. Ich frühstückte rasch, und bald darauf trabten wir durch den dunstigen Morgen. Vögel hüpften geschäftig im Gesträuch herum, und in der Luft lag die Verheißung eines warmen Sommertags.
»Wohin reiten wir?« fragte ich. »Sie können es mir ruhig sagen, denn wenn ich es nicht weiß, werde ich überrascht sein, und wenn ich es doch weiß, bin ich immer noch intelligent genug, um überrascht zu tun.«
Dougal schaute mich nachdenklich an, kam jedoch zu dem Schluß, daß dieses Argument stichhaltig war.
»Zum Garnisonskommandanten von Fort William«, sagte er.
Ich war schockiert. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen.
Ich hatte gedacht, uns blieben noch drei Tage, bis wir das Fort erreichten.
»Aber wir sind doch nicht einmal in der Nähe von Fort William!« rief ich.
»Mmmpf.«
Dieser Kommandant war offenbar ein energiegeladener Bursche. Nicht zufrieden damit, an seinem Standort zu bleiben und sich um seine Garnison zu kümmern, inspizierte er das Land mit einem Dragonertrupp. Die Soldaten, die am Abend zuvor in unserem Gasthof eingekehrt waren, gehörten zu diesem Trupp und hatten Dougal erzählt, ihr Kommandant habe sein Quartier in Brockton aufgeschlagen.
Dies warf ein Problem auf, und ich schwieg für den Rest des Rittes und sann darüber nach. Fort William war nicht mehr als eine Tagesreise vom Craigh na Dun entfernt. Ich hatte
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