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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hin, heb dein Hemd hoch und breite die Arme aus.« Ich begann ein altes Tuch, das ich von der Frau des Wirtes hatte, in Streifen zu reißen. Leise grummelnd, weil ich Heftpflaster und andere Annehmlichkeiten vermißte, improvisierte ich eine Bandage, zog sie straff und befestigte sie mit der Brosche von Jamies Plaid.
    »Ich kann kaum atmen«, beschwerte er sich.
    »Wenn du atmest, tut es weh. Rühr dich nicht. Wo hast du gelernt, dich so zu schlagen? Auch bei Dougal?«
    »Nein.« Jamie zuckte zusammen, denn ich betupfte seine Augenbraue gerade mit Essig. »Das hat mir mein Vater beigebracht.«
    »Wirklich? Was war dein Vater von Beruf? Preisboxer?«
    »Preisboxer? Was ist das? Nein, er war Bauer. Hat auch Pferde gezüchtet.« Jamie schnappte nach Luft, während ich seine Verletzungen weiter mit Essig benetzte.

    »Als ich neun oder zehn war, sagte er, ich würde vermutlich so groß wie meine Verwandten mütterlicherseits, und darum müßte ich das Raufen lernen.« Jamie atmete jetzt leichter und streckte die Hand aus, damit ich Ringelblumensalbe auf die Knöchel auftragen konnte.
    »Er sagte: ›Wenn du stattlich bist, wird die eine Hälfte der Männer, auf die du triffst, dich fürchten, und die andere wird dich auf die Probe stellen wollen. Du brauchst bloß einen niederzuschlagen‹, sagte er, ›dann werden dich die übrigen in Ruhe lassen. Lerne nur, es rasch und sauber zu tun, sonst mußt du dein ganzes Leben lang kämpfen.‹ Und so nahm er mich mit in die Scheune und streckte mich aufs Stroh nieder, bis ich lernte zurückzuschlagen. Aua! Das brennt!«
    »Fingernägel verursachen ekelhafte Verletzungen«, sagte ich und betupfte geschäftig Jamies Hals. »Besonders wenn sich dein Gegner nicht regelmäßig wäscht. Und ich möchte bezweifeln, daß der Bursche mit den fettigen Haaren auch nur einmal im Jahr badet. Was du heute abend getan hast, würde ich zwar nicht als ›rasch und sauber‹ bezeichnen, aber es war sicher eindrucksvoll. Dein Vater wäre stolz auf dich.«
    Ich hatte mit einer gewissen Ironie gesprochen und stellte überrascht fest, daß sich Jamies Gesicht umwölkte.
    »Mein Vater ist tot«, sagte er dumpf.
    »Das tut mir leid.« Ich wurde mit der Essigbehandlung fertig und fuhr leise fort: »Ich habe es ernst gemeint. Er wäre wirklich stolz auf dich.«
    Jamie gab keine Antwort, sondern ließ nur die Andeutung eines Lächelns sehen. Er wirkte plötzlich sehr jung, und ich fragte mich, wie alt er war. Ich wollte mich gerade danach erkundigen, als ein rauhes Husten hinter uns verriet, daß wir Besuch hatten.
    Es war Murtagh. Er betrachtete Jamies bandgagierte Rippen mit leiser Erheiterung und warf ihm einen kleinen Lederbeutel zu. Es gab ein klimperndes Geräusch.
    »Was ist das?« fragte Jamie.
    Murtagh zog eine Braue hoch. »Dein Anteil an der Wette, was sonst?«
    Jamie schüttelte den Kopf und machte Anstalten, den Beutel zurückzuwerfen.
    »Ich habe nicht gewettet.«

    Murtagh hob abwehrend die Hand. »Du hast die ganze Arbeit getan. Im Augenblick bist du sehr beliebt, zumindest bei den Leuten, die auf dich gesetzt haben.«
    Ich schaltete mich ein. »Bei Dougal allerdings weniger, nehme ich an.«
    Murtagh gehörte zu den Männern, die immer ein bißchen verwirrt sind, wenn sie entdecken müssen, daß Frauen nicht stumm sind, doch er nickte höflich.
    »Ja, das ist wahr. Aber das braucht dich nicht zu kümmern«, sagte er, zu Jamie gewandt.
    »Nein?« Die beiden Männer tauschten einen Blick, den ich nicht verstand. Jamie pfiff leise durch die Zähne.
    »Wann?« fragte er.
    »In einer Woche. Oder in zehn Tagen. Bei einem Ort namens Lag Cruime. Du kennst ihn?«
    Jamie nickte. Er machte einen sehr zufriedenen Eindruck. »Ich kenne ihn.«
    Ich schaute von einem zum andern; beide wirkten verschlossen und verschwörerisch. Also hatte Murtagh etwas herausgefunden. Hatte es vielleicht mit dem mysteriösen »Horrocks« zu tun? Ich zuckte die Achseln. Was immer der Grund sein mochte, es schien, als wären Jamies Tage als Demonstrationsobjekt gezählt.
    »Dougal kann statt dessen wohl immer noch einen Steptanz hinlegen«, sagte ich.
    »Wie?« Die verschwörerischen Blicke der Männer wandelten sich zu einem Ausdruck der Verwirrung.
    »Egal. Schlaft gut.« Ich nahm das Kästchen mit den medizinischen Gerätschaften an mich und ging, um mich selbst zur Ruhe zu legen.

12
    Der Garnisonskommandant
    Wir näherten uns Fort William, und ich begann ernstlich darüber nachzudenken, wie ich mich verhalten sollte,

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