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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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summendes Geräusch. Ich dachte mir, vielleicht hätten sich Bienen in einer Felsenritze einen Stock gebaut, und legte eine Hand auf den Stein, um mich in die Lücke zu beugen.
    Der Stein schrie.
    Ich wich zurück, bewegte mich so rasch, daß ich stolperte und in das kurze Gras fiel. Schwitzend starrte ich den Stein an.
    Noch nie hatte ich einen solchen Laut von einem Lebewesen gehört. Es läßt sich nicht beschreiben; ich kann nur sagen, daß es die Art Schrei war, die man von einem Stein erwarten würde. Es war entsetzlich.
    Auch die anderen Steine begannen zu schreien. Schlachtenlärm tönte, Sterbende klagten, und verirrte Pferde wieherten.
    Ich schüttelte heftig den Kopf, um Klarheit hineinzubekommen, aber der Lärm hielt an. Ich stand schwankend auf und taumelte auf den Rand des Kreises zu. Rings um mich waren Geräusche, die bei mir Zahnschmerzen und Schwindelgefühle hervorriefen. Alles verschwamm vor meinen Augen.
    Ich weiß nicht, ob ich zielbewußt auf den Spalt im Hauptstein zuging oder ob ich blindlings durch den Nebel des Lärmes tappte.
    Einmal, als ich nachts unterwegs war, schlief ich auf dem Beifahrersitz eines Autos ein, von den Geräuschen und der Bewegung in die Illusion heiterer Schwerelosigkeit gewiegt. Der Fahrer nahm eine Brücke zu schnell und verlor die Herrschaft über den Wagen, und ich wurde aus meinem schwebenden Traum herausgeschleudert in die Wirklichkeit gleißender Autoscheinwerfer und verspürte das übelkeitserregende Gefühl, das ein Fall bei hohem Tempo hervorruft. Dieser abrupte Umschwung reichte am ehesten an das heran, was ich jetzt empfand, doch ich bleibe mit meiner Beschreibung immer noch weit hinter der Realität zurück.
    Ich könnte sagen, daß sich mein Blickfeld auf einen einzigen dunklen Punkt verengte und dann völlig schwand, aber keine Finsternis hinterließ, sondern eine helle Leere. Ich könnte sagen, es war, als trudelte ich oder als würde mir das Innerste nach außen gekehrt. All das stimmt, und doch vermittelt es nicht das Gefühl vollkommener Zerrissenheit, das ich empfand; das Gefühl, gegen etwas geschmettert zu werden, das nicht da war.

    Tatsächlich bewegte sich nichts, veränderte sich nichts, schien nichts zu geschehen , und dennoch ergriff mich eine so elementare Panik, daß ich jeden Sinn dafür verlor, wer, was und wo ich war. Ich befand mich im Herzen des Chaos, und keine geistige oder körperliche Kraft konnte mir helfen.
    Ich kann nicht behaupten, daß ich direkt ohnmächtig wurde, aber ich war mir gewiß einige Zeit meiner selbst nicht bewußt. Ich »erwachte«, wenn dies das richtige Wort ist, als ich über einen Stein am Fuße des Berges stolperte. Ich rutschte die paar Meter, die bis unten blieben, abwärts und landete im dichten, buschigen Gras.
    Mir war übel und schwindelig. Ich kroch zu einer Gruppe junger Eichen und lehnte mich gegen eine, um mich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. In meiner Nähe erklangen wirre Rufe, die mich an die Geräusche erinnerten, die ich im Steinkreis gehört hatte. Es fehlte ihnen jedoch deren unmenschliche Gewalt, dies war gewöhnlicher Kampfeslärm, und ich wandte mich in die Richtung, aus der er kam.

3
    Der Mann im Wald
    Die Männer waren ein gutes Stück entfernt. Zwei oder drei, in Kilts gekleidet, rannten wie die Hasen über eine kleine Lichtung. Von fern hörte ich knatternde Geräusche, die ich ziemlich benommen als Gewehrschüsse erkannte.
    Ich war sicher, daß ich immer noch phantasierte, als gleich darauf fünf, sechs Männer auftauchten, die rote Waffenröcke und Kniehosen trugen und Musketen schwangen. Ich blinzelte. Ich hielt mir die Hand vor das Gesicht und hob zwei Finger. Ich sah ganz richtig zwei Finger. Nichts verschwamm mir vor den Augen. Ich schnupperte neugierig. Es roch nach blühenden Bäumen und Klee. Mein Geruchssinn war in Ordnung.
    Ich befühlte meinen Kopf. Kein Schmerz. Also kaum eine Gehirnerschütterung. Puls ein bißchen beschleunigt, aber regelmäßig.
    Das ferne Geschrei veränderte sich abrupt. Hufschlag dröhnte, und mehrere Pferde kamen in meine Richtung galoppiert, auf ihnen Schotten im Kilt, die gälische Worte brüllten. Ich wich ihnen mit einer Behendigkeit aus, die zu beweisen schien, daß ich, in welch seelischer Verfassung ich auch sein mochte, körperlich unversehrt war.
    Und dann dämmerte es mir plötzlich, als einer der Rotröcke, den ein fliehender Schotte über den Haufen gerannt hatte, theatralisch die Faust ballte und den Pferden hinterherdrohte.

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