Feuer Und Stein
Dung, also hast du wohl bei keinem Kätner gelegen. Überdies siehst du teurer aus, als es sich die hiesigen Bauern leisten können.«
Ich ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Was immer dieser Scherzbold im Sinn hatte, ich würde es nicht dulden.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie sprechen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt vorbeiließen!« sagte ich in meinem schärfsten Stationsschwesternton. Dies wirkte im allgemeinen recht gut bei widerborstigen Pflegern und jungen Medizinalassistenten, Hauptmann Randall aber schien es lediglich zu amüsieren. Ich unterdrückte die Angst, die unter meinen Rippen flatterte wie ein aufgescheuchter Vogel.
Randall schüttelte den Kopf und musterte mich erneut.
»Jetzt noch nicht, Liebchen«, sagte er im leichten Plauderton. »Ich frage mich nur, warum eine Hure, die im Hemd unterwegs
ist, Schuhe trägt? Und recht feine obendrein«, fügte er mit einem Blick auf meine schlichten braunen Halbschuhe hinzu.
»Eine was?!« rief ich.
Er ignorierte das, trat plötzlich vor und faßte mein Kinn. Ich packte sein Handgelenk und zerrte daran.
»Lassen Sie mich los!« Er hatte Finger wie Stahl. Ohne meine Anstrengungen zu beachten, drehte er mein Gesicht im verblassenden Licht des Spätnachmittags hin und her.
»Wahrhaftig, die Haut einer Dame!« murmelte er. Er beugte sich vor und schnupperte. »Und ein französisches Duftwasser in den Haaren.« Er ließ mich los, und ich rieb mir empört das Kinn, als wollte ich die Berührung ungeschehen machen.
»Den Rest könntest du mit dem Geld deines Gönners zuwege gebracht haben«, sagte er sinnend, »aber du sprichst auch wie eine Dame.«
»Vielen herzlichen Dank!« fauchte ich. »Und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg. Mein Mann wartet auf mich; wenn ich nicht in zehn Minuten zurück bin, wird er mich suchen.«
»Oh, dein Mann?« Der höhnisch-bewundernde Ausdruck verflüchtigte sich etwas, verschwand aber nicht ganz. »Und wie lautet, bitte sehr, der Name deines Mannes? Wo ist er? Und warum erlaubt er seiner Frau, allein und en déshabillé durch menschenleere Wälder zu streifen?«
Ich hatte den Teil meines Gehirns ignoriert, der sich schier zermarterte bei dem Versuch, Sinn in die letzten Stunden zu bringen. Doch nun konnte er sich lange genug durchsetzen, um mir zu sagen, daß es wohl nur zu weiteren Verwicklungen führen würde, wenn ich diesem Fremden Franks Namen nannte. Und so verschmähte ich es, ihm zu antworten, und wollte mich an ihm vorbeischieben. Mit einem Arm versperrte er mir den Weg, mit der anderen griff er nach mir.
Von oben kam plötzlich ein Rauschen, gefolgt von einem verschwommenen Schatten. Ich hörte einen dumpfen Aufprall. Hauptmann Randall lag mir zu Füßen unter einem wogenden Haufen, der wie ein Bündel alter Decken aussah. Eine braune, felsähnliche Faust hob sich aus dem Gewirr, sauste mit großer Wucht hernieder und traf auf etwas Knochiges, wie man aus dem Knacken schließen konnte. Die zappelnden Beine des Hauptmanns, die mit glänzend polierten Stiefeln angetan waren, erschlafften plötzlich.
Und ich starrte in scharfe, schwarze Augen. Die sehnige Hand, die den unwillkommenen Aufmerksamkeiten des Hauptmanns ein Ende bereitet hatte, hing wie eine Klette an meinem Unterarm.
»Und wer, verdammt noch mal, sind Sie? « fragte ich erstaunt. Mein Retter, wenn ich ihn denn so bezeichnen wollte, war ein paar Zentimeter kleiner als ich und von schlankem Wuchs, doch die bloßen Arme, die aus dem zerlumpten Hemd schauten, waren äußerst muskulös. Seine ganze Gestalt erweckte den Eindruck, als wäre sie so unverwüstlich wie Sprungfedern. Eine Schönheit war er freilich nicht; er hatte Pockennarben, eine niedrige Stirn und ein allzu kleines Kinn.
»Dorthin.« Er riß an meinem Arm, und ich, ganz betäubt von den sich überstürzenden Ereignissen, folgte ihm gehorsam.
Mein neuer Gefährte bahnte sich rasch einen Weg durch das dürftige Erlengehölz, machte abrupt einen Bogen um einen großen Findling, und plötzlich waren wir auf einem Pfad. Er war mit Stechginster und Heide überwuchert und verlief im Zickzack, so daß man nie mehr als drei Meter von ihm sehen konnte, aber es war dennoch unverkennbar ein Pfad, der steil nach oben führte, einem Bergkamm entgegen.
Erst als wir auf der anderen Seite behutsam abwärts stiegen, war ich wieder genug bei Atem und Verstand, um zu fragen, wohin es ging. Da mir mein Gefährte keine Antwort gab, wiederholte ich, lauter diesmal:
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