Feueratem
herausgefunden. Der Zauber wirkt sonst nicht.“
„Und wir sind noch hier“, sagte ihre Mutter mit halberstickter Stimme. „Wenn er es sich anders überlegt … Ich würde einwilligen, um es einem meiner Kinder zu ersparen!“
„Das würde ich auch“, sagte ihr Vater so leise, dass Teres es fast nicht mehr verstand. „Aber wir sind nicht mehr jung genug. Das weißt du.“
Teres hämmerte das Herz bis zum Hals. Das alles hörte sich fast so an, als bestünde der Zauber darin, dem Drachen zum Fraß vorgeworfen zu werden. Aber wenn es so etwas Entsetzliches war, was mit „auswählen“ gemeint war, wie konnte der Drache dann behaupten, dass er den Clan Dekapa liebte?
„Manchmal schaue ich auf die Kinder und frage mich, ob wir je so jung waren“, sagte ihre Mutter und seufzte. „Und dann wieder – hast du dir je gewünscht, er hätte dich ausgesucht?“
„Natürlich nicht“, erwiderte ihr Vater hastig. „Ich war froh und glücklich, dass er es nicht getan hat.“
Wieder seufzte ihre Mutter. „Den größten Teil meines Lebens bin ich das auch. Nur manchmal, bei Morgengrauen, da frage ich mich, wie es wohl gewesen wäre, mein Leben zu geben für den Clan und den Zauber.“
„Es ist sinnlos, sich Gedanken darüber zu machen, was nie war und nicht sein kann, mein Schatz.“
„Immer noch besser als stete Sorge über das, was noch kommen mag“, gab ihre Mutter zurück und verstummte.
Die Stille zwischen den Eltern wurde nicht mehr gebrochen, auch nicht, als sie beide Arm in Arm den Saal verließen. Teres blieb ratlos zurück. Da sich ihre Eltern gewiss nicht wünschten, gefressen worden zu sein, musste es um das Geheimnis des Drachen anders bestellt sein.
Die Wärme der großen Halle ließ langsam nach, während Teres zusammengekauert unter dem Tisch saß und grübelte.
Kapitel 5
Statt von Groll auf den Drachen und die Ungerechtigkeit ihres Lebens wurde Teres von nun an mehr und mehr vom Hunger nach Wissen geplagt, während sie versuchte, allem, was sie erfuhr, einen Sinn zu geben. Immer häufiger fand sie sich, ohne manchmal genau zu wissen, wie sie hergekommen war, in der Höhle wieder.
„Bist du für die anderen ein Ungeheuer, weil du uns liebst?“, fragte sie den Drachen.
„Ich bin für sie ein Ungeheuer aus dem Grund, den ich habe, euch zu lieben. Nicht, dass ich ihnen oft begegne. Sie hassen die Menschen für das, was sie aus Erised gemacht haben, alle Menschen. Deswegen bleiben sie den Clangebieten lieber fern.“
„Aber wenn du uns liebst“, hakte Teres mit der Sturheit ihrer Jugend nach, „dann musst du doch einsehen, dass es nicht gut für uns ist, so wie es ist. Vielleicht sind wir deinetwegen jetzt sicher, aber was, wenn du stirbst? Nein, du musst die anderen Drachen überzeugen, die Welt zu ändern. Es muss doch einen Weg geben. Wenn ich nur wüsste …“
„Du weißt bereits alles, was du wissen musst“, entgegnete der Drache. „Du hast es nur noch nicht begriffen.“
***
Als Teres 16 wurde, tanzte sie auf der Hochzeit ihrer gleichaltrigen Base. Genau wie ihre Eltern versuchten ihre Onkel und Tanten auf einmal, ihre Kinder so früh wie möglich zu verheiraten, und es war einer von Teres’ Brüdern, der ihre Base zur Frau nahm. Anis sah ihnen beim Tanzen zu; sie erwartete mittlerweile das zweite Kind.
„Wirst du die nächste Braut sein?“, fragte ihre Base, während Teres und sie sich an den Händen hielten und im Kreis drehten.
„Ganz bestimmt nicht!“, sagte Teres. Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, einen ihrer Vettern ernst zu nehmen oder wie Anis kleine Kinder zu hüten, ehe sie 20 Jahre alt war. In einem hatte sie Glück: Ihre Eltern bedrängten sie nicht deswegen. Manchmal fragte sie sich, warum sie von ihren steten Nachfragen verschont wurde, wo ihr Bruder doch ständig zur Heirat ermuntert worden war. „Und manchmal frage ich mich, ob es überhaupt einen Jungen geben kann, dem ich mein Herz schenken will.“
Es war nicht so, dass sie immer noch Sani nachtrauerte. Wenn sie die Flussmärkte besuchte, sah sie ihn ab und zu aus der Ferne. Gesprochen hatten sie nur noch ein einziges Mal miteinander, wenige Wochen, nachdem sie den grünen Nebel erlebt hatte.
„Nur, damit du es weißt“, hatte er zu ihr gesagt, „wir vom Clan Soschun haben euren Drachenzauber überhaupt nicht nötig. Wir haben etwas viel Besseres. Ich habe dich nur danach gefragt, damit du dich wichtig fühlen kannst. Weil du doch sonst nichts zu bieten hast,
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