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Feueratem

Feueratem

Titel: Feueratem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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schien die Luft zu glühen, ein, zwei Herzschläge lang, bis der Flugwind sie wieder mit nichts als kühler Nacht umgab. Da begriff Teres, dass der Drache Feuer spie, einmal, zweimal, schließlich so oft, dass sie aufhörte zu zählen und tollkühn über den Hals des Drachen hinweg auf die Welt unter ihnen spähte.
    Anscheinend waren sie nicht so hoch gestiegen, wie der Drache es ohne sie getan hätte. Die Flammen, die er atmete, erhellten die Nacht anders als das milde Licht der Sterne. Es war wie Donner und Blitz: Licht und Lärm zerrissen den Schleier aus Dunkelheitso schnell, dass erst der zweite Blick verriet, was von den Dingen, die man erspäht zu haben glaubte, wirklich war. Und manchmal noch nicht einmal dann.
    Es waren Berge, die unter ihnen lagen, Berge, deren Umrisse für Teres völlig fremd waren; Berge wie Riesenrücken, die sich unter einer Peitsche wanden und zu Stein erstarrt waren.
    Nichts von dem, was sie zwischen Feuerglanz und Nachtschatten ausmachte, war ihr vertraut. Wohin der Drache auch immer unterwegs war, wusste nur er allein.

Kapitel 4
    Als das grünliche Leuchten am Boden auftauchte, dachte Teres zunächst, es müsse sich um Flussnebel handeln, den sie durch den Feueratem in so seltsame Farbe getaucht sah. Doch der Drache sank etwas tiefer, ohne Flammen auszustoßen, und die dichten, grünlichen Wolken verschwanden nicht. Ein Geruch stieg Teres in die Nase, ein fahler, süßlicher Gestank wie überreifes Obst.
    „Halte jetzt die Luft an“, sagte der Drache. „Ich werde dir zeigen, was dort unten liegt, doch du verträgst es nicht sehr lange, und noch weniger, wenn du atmest.“
    Einen Moment lang wollte sie aus reinem Widerspruchsgeist das Gegenteil tun – aber das fahle Grün löste eine Beklommenheit in ihrem Magen aus. Sie würde nichts davon einatmen, wenn es sich vermeiden ließ. Also gehorchte sie.
    In den Nebel einzutauchen, war schlimmer, als sie vermutet hätte: Er legte sich klamm und kalt auf ihre Haut, und es war ihr, als schnüre er ihr die Kehle zu. Was sie sah, beendete jede Versuchung, der Anweisung des Drachen zu trotzen, im Nu.
    Als Kind war Teres einmal in den Bergsee gefallen, ehe sie schwimmen konnte, und hatte verzerrte Schatten auf sich zukommen sehen, ehe sie hustend und spuckend wieder auftauchte. Auch jetzt trieben Formen auf sie zu, aber die Nacht war längst nicht dunkel genug, um nicht zu erkennen, worum es sich handelte. Vögel mit aufgequollenen Köpfen waren es, oder solche, denen mehrere Köpfe aus den Hälsen wuchsen, einige unvollendet, als habe die Natur sich einen grausamen Scherz mit ihnen erlaubt; Vögel, deren verstümmelte Schwingen sie nicht fliegen, sondern durch den Nebel torkeln ließen. Einer mit einem Schnabel, der nur aus einem Teil bestand, stieß plötzlich auf Teres zu und hätte sie um ein Haar erwischt, wäre der Drachenicht jäh ausgewichen und tiefer in den Nebel vorgedrungen.
    Unter ihnen konnte Teres mittlerweile Formen ausmachen, die eindeutig gebaut waren, keine Felsvorsprünge, sondern Häuser, und zwischen ihnen torkelnde Gestalten, deren Umrisse etwas entfernt Menschenähnliches hatten. Schatten, dachte Teres ungläubig, es müssen Schatten von Menschen sein, deswegen sind sie so verzerrt.
    Doch in der grünlichen Dämmerung gab es nichts, was Schatten verursachen konnte.
    Der Drache stieß wieder in die Höhe, und sie barg ihr Gesicht an seinem Hals, bis das Gefühl feuchten Nebels auf ihrer Haut gänzlich verschwunden war. Danach dauerte ihr Flug nicht mehr lange.
    Der Drache ließ sich auf einem Felsvorsprung nieder. Erst jetzt bemerkte Teres, dass sie sich erbrechen musste, und sie glitt von seinem Rücken. Ihre Knie zitterten, als sie ein paar Schritte machte, niederstürzte und sich übergab.
    Der Drache sagte nichts.
    „Was“, flüsterte Teres, als es ihr wieder besserging, „was war das?“
    „Der Zauber des Clans Soschun“, erwiderte er .
    „Das sagst du nur, um dich an mir zu rächen“, begehrte sie auf. „Nichts kann die Macht haben, so etwas …“
    „Der Zauber des Clans Xaste ist sogar noch schlimmer, aber dazu hätten wir weiter fliegen müssen. Außerdem will ich nicht, dass du seine Folgen siehst. Niemand sollte diesen Anblick ertragen müssen.“
    Teres wusste, dass jeder Clan über seinen Verteidigungszauber verfügte. Aber sie hatte angenommen, dabei handle es sich um ein nutzloses Bündnis mit einem Drachen, ein wenig Feuermagie oder unüberwindbare Schutzwälle. Der grüne Nebel war nicht

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