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Feueratem

Feueratem

Titel: Feueratem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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säuberte. Das morgendliche „wir sind gekommen, um zu dienen“ stach ihr nicht mehr so im Hals; dafür wollte ihr etwas anderes nicht aus dem Sinn: „Wir sind Dekapa, du bist Dekapa.“ Natürlich war ihr jetzt klar, vor was der Drache ihren Clan schützte und warum sie ihm so dankbar sein sollten, aber das erklärte immer noch nicht, was den Drachen an ihre Familie band, oder ob er sich genauso gut einen anderen Clan wählen konnte. War der Zauber zwingender Natur? Wenn das der Fall war, machte das den Drachen nicht zu einem Sklaven? Und war dies nicht ein Unrecht, ähnlich wie der furchtbare, Leben vernichtende grüne Nebel?
    Als sich genügend Fragen in ihr gesammelt hatten, fasste Teres sich ein Herz und schlich unbemerkt zum Drachen, nachdem Guso und ein anderer Vetter, die an diesem Tag für seine Pflege zuständig waren, sich wieder auf dem Feld nützlich machten. Diesmal schien die Sonne, und der Drache hatte seinen riesigen Körper auf der Klippe vor seiner Höhle zusammengerollt wie eine Schnecke.
    „Was hast du damit gemeint, als du sagtest, es gäbe nicht deinesgleichen?“, fragte Teres. „Ich weiß, dass es noch andere Drachen gibt. Sonst hätte“, sie zögerte nur ein wenig, „sonst hätte Sani nicht versucht, den Zauber zu erfahren, der dich an uns bindet.“
    Die halbgeschlossenen Lider über seinen Augen hoben sich ein wenig. „Mich bindet kein Zauber“, sagte der Drache, „so wenig, wie es derzeit meinesgleichen gibt. Noch nie hat ein Zauber einen Drachen binden können. Deswegen wirkt der grüne Nebel ja auch nicht auf mich.“
    Teres ging zu seiner rechten Vorderpranke. Die Krallen schimmerten leicht bläulich im Sonnenlicht. Es klebte noch etwas Blut daran, das Guso übersehen haben musste, oder der Drache hatte seit dem Sonnenaufgang getötet. Sie berührte das Blut.
    „Du meinst, du tust das alles freiwillig? Bleibst bei uns? Schützt uns? Würdest für uns töten, wenn uns jemand angriffe?“
    „Man hat keine andere Wahl“, murmelte der Drache, und seine Stimme sank zu dem Nachklang eines Glockentons herab, „wenn man liebt.“
    „Du liebst uns?“
    „Wen soll ich sonst lieben?“, fragte er.
    „Nun … Du könntest einen anderen Drachen lieben.“
    Er öffnete die Augen zur Gänze, und wieder hatte Teres das Gefühl, dass die Schwärze in ihnen sie gänzlich aufsog. „Für die anderen Drachen bin ich ein Ungeheuer.“
    ****
    Das Geheimnis des Drachen ließ Teres keine Ruhe. Er weigerte sich, ihr mehr zu erzählen. Also fragte sie ihre älteren Geschwister, doch sie konnten ihr nichtsanderes sagen als das, was sie bereits wusste. Also ging sie zu ihren Eltern.
    „Du willst es nicht wissen“, versetzte ihre Mutter mit ungewohnter Härte in der Stimme.
    „Aber warum nicht?“
    „Wenn du es weißt“, sagte ihr Vater sehr ernst, „dann ist es umso wahrscheinlicher, dassdie Wahl auf dich fällt.“
    „Welche Wahl?“
    Er schüttelte den Kopf. „Deine Mutter und ich gehören zu denjenigen, die um die Geheimnisse unseres Clans wissen, und wir wachen immer noch jeden Tag voll Dankbarkeit dafür auf, dass die Wahl nicht uns getroffen hat. Genieß deine Unbeschwertheit, solange du kannst.“
    „Ich kann nicht unbeschwert sein“, gab Teres zurück, „wenn ich es nicht verstehe. Solange ich nicht begreife, warum die anderen Drachen nicht verhindern, was in dieser Welt vor sich geht.“
    „Es wird vorbeigehen“, sagte ihre Mutter zu ihrem Vater. „Sie ist noch ein Kind.“
    „Ist sie das?“, fragte ihr Vater zurück.
    Normalerweise hätte es Teres gefreut, als Erwachsene anerkannt zu werden, aber ihre Eltern schauten so unglücklich drein, dass sich keine Befriedigung einstellen wollte.
    ***
    In dieser Nacht schlich Teres sich aus dem Turm in die Halle, wo ihre Eltern noch immer am Feuer saßen und miteinander redeten, in verhaltenem Ton. Die Holzscheite waren fast alle niedergebrannt und glommen nur noch. Es war also dunkel genug, um in die Halle zu huschen und sich unter den großen Tisch zu kauern, ohne gesehen zu werden.
    „Ich habe ihn gefragt“, sagte ihr Vater. „Er ist mit Teres geflogen.“
    „Das muss gar nichts bedeuten“, gab ihre Mutter heftig zurück. „Welches Kind würde schon nein zu dem Angebot sagen, zu fliegen?“
    „Teres“, sagte ihr Vater. „Sie hat den Drachen doch nie ausstehen können. Aber sie hat ja zum Fliegen gesagt.“
    „Wenn er ihr verraten hat …“
    „Das würde er nie tun, das weißt du doch. Wir haben es auch selbst

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